Wie schon seit langem Tradition, feiere ich zweimal im Jahr Geburtstag. Am zweiten jährt sich meine Herz-OP, bei der ich so knapp dem Tod von der Schippe gesprungen bin, dass ich mit Fug und Recht sagen kann: da wurde ich tatsächlich nochmal geboren.
Diesmal ist es ein besonderer Geburtstag: die OP war heute vor 15 Jahren. 15 Jahre! Das ist eine Menge. Wenn ich an die Zeit kurz nach der OP zurückdenke, dann war es eine sehr schwere. Damals habe ich nicht geglaubt, dass ich 10 weitere Jahre überstehen würde. Aber siehe da, ich bin doch zäher als gedacht: 15 habe ich schon hinter mir, und wenn ich eine vorsichtige Prognose abgeben soll, würde ich sagen, da ist noch Stoff für viele mehr.
Die geschenkte Zeit war für mich der Bonustrack: eigentlich war alles schon zu Ende, und was noch kam, war on top. Was habe ich in dieser Zeit nicht alles erlebt!
Ich habe mich langsam erholt. Habe wieder angefangen zu arbeiten. Habe den Job verloren, einen neuen gefunden, und bin mittlerweile 10 Jahre dabei. Ich habe mich weiterentwickelt, habe beruflich Anerkennung bekommen, durfte für große und kleine Firmen im In- und Ausland ran. Auch körperlich habe ich mich erholt, habe angefangen zu laufen, habe mich langsam an höhere Fitness-Level herangetastet und schließlich Größeres gewagt: ich bin 6 Marathons gelaufen, sogar einen Ultramarathon! Nach dem 11. Jahr ging es etwas schlechter, da war meine Klappenprothese defekt, ich bekam eine neue, die aber nur zwei Jahre hielt. Nach etlichen mehr oder weniger gelungenen Reparaturversuchen ist sie nun in einem Zustand, mit dem ich leben kann, aber doch eingeschränkt. Ich laufe wieder, zwar nicht wie früher, und wer weiß für wie lange - aber hey, wer weiß das schon? Ich hatte zehn Herzkatheter, bekam einen Eventrekorder implantiert und nach zwei Jahren wieder explantiert, habe schon zweimal den Kardiologen gewechselt, und es geht noch weiter.
In der Zeit habe ich meine Kinder beim Erwachsenwerden begleiten dürfen. Habe einen Enkel bekommen! Mein Sohn hat neulich geheiratet! Bonustrack pur. Mit meiner Ehe ging es nicht so gut, wir haben uns scheiden lassen, aber wir haben mittlerweile ein gutes Verhältnis zueinander. Meine Mutter habe ich wiedergesehen, sie kam sogar nach Deutschland. Vor einigen Jahren ist sie gestorben und in Hamburg begraben. Über die Erbschaft habe ich mich mit meinem Bruder zerstritten, dafür bin ich meinen anderen Geschwistern viel näher einander gekommen als früher. Dazu ist mein Onkel gestorben, was uns unverhofft zu Landbesitzern und quasi Landwirten macht.
Ich habe die Liebe gefunden (und wieder verloren). Wir sind quer durch die Welt gereist, haben andere Länder und Landschaften gesehen, Gerüche, Geschmäcker, Farben, Geräusche, Musik, haben Dinge unternommen, die wir uns niemals ertäumt hätten. Wir haben neue Traditionen gegründet, Krisen gehabt, gute Zeiten, schlechte Zeiten, gesundheitliche Katastrophen (wie oft waren wir in der Zeit in einem Krankenhaus? Sehr oft!) Wir haben gelacht, geweint, geliebt, gestritten, gegessen, getrunken, geredet. Meistens gelacht!
2020 war kein gutes Jahr. Aber einen Vorteil hat das: 2021 kann nicht viel schlechter werden. Ich bin zwar nicht sicher, ob ich noch 15 Jahre vor mir habe, aber der Blick geht nach vorne mit Zuversicht und guter Hoffnung. Und der nach hinten ist voller Dankbarkeit, voller Traurigkeit, aber auch Glück und Erfüllung.
Guten Rutsch!