Von der Herzoperation Silvester 2005 zum Marathon Oktober 2007

Dienstag, 2. Februar 2010

Montag, 1. Februar 2010

Bericht aus der Schmerzklinik

Seit nunmehr einer Woche bin ich im Schmerz-Zentrum des DRK in Mainz untergebracht. Das ist ähnlich wie eine Reha-Klinik aufgebaut: der Tagesablauf ist mit sogenannten Anwendungen ausgefüllt, die zum Teil Standard sind, zum Teil auch individuell für die jeweilige Diagnose ausgearbeitet und verordnet werden.

Im Gegensatz zur reinen Rehaklinik gibt es hier auch ein Team von Ärzten, die interdisziplinär eine Diagnose erstellen. Häufig ist die Ursache von Schmerzen ja unklar, und es gibt einige Spezialisten, die den Blick aus verschiedenen Fachgebieten auf den Patienten werfen. Die Ergebnisse, so hört man, seien dadurch umso besser.

Bei mir ist es so, daß ich aus heiterem Himmel eine üble Kopfschmerzattacke bekam, die nicht nur temporär war: die Schmerzen blieben. Das war am 26. September. Seitdem war ich zigmal bei verschiedenen Ärzten gewesen, war beim Physiotherapeuten, ich lag 10 Tage im Krankenhaus, bin zum Osteopathen gegangen. Das alles brachte keine klare Diagnose, und wenn auch die Schmerzen nicht mehr so stark sind wie am Anfang, bin ich dadurch total eingeschränkt. Irgendwann erfuhr ich, daß es diese Klinik gibt, und wendete mit ratsuchend an sie. Nach etwas Wartezeit bekam ich einen ambulanten Untersuchungstermin, und dort wurden ein paar mögliche Diagnosen in Betracht gezogen, die stationär verifiziert werden sollen.

Die Klinik liegt an einem Hang in einem Villenviertel in Mainz (nach Auskunft einer Mainzer Freundin ist es wohl die beste Wohnlage). Unter dem Namen Alice-Krankenhaus ursprünglich als Belegkrankenhaus entstanden, wurde es 1981 als Schmerz-Zentrum wieder eröffnet, nachdem es aus wirtschaftlichen Gründen hatte schließen müssen. Als Patient spürt man das irgendwie: die Gebäude, zum Teil auch die Einrichtung sind eine Mischung aus alt und neu. Vieles erinnert an die achtziger Jahre, aus denen wohl die meisten fest installierten Gegenstände stammen.

Das Personal ist unglaublich bemüht und ausgesprochen freundlich. Man merkt, daß die Angestellten es mit Schmerzpatienten zu tun haben und dies auch wissen. Vom behandelnden Arzt über die Pflegekräfte bis zum Küchen- und Reinigungspersonal, ich habe bisher von allen Seiten ein Lächeln und freundliche Worte bekommen. Sehr schön!

Die Schmerztherapie basiert auf eine mehrgleisige Strategie. Man möchte Muskelverspannungen lösen, die als Folge von chronischen Schmerzen auftreten und zugleich auch Ursache weiterer Schmerzen sind; das wird durch Krankengymnastik, Bäder, elektrische Impulse und dergleichen erreicht. Dehnübungen sollen die Muskelpartien, die durch Verkrampfungen verkürzt sind, wieder länger machen, zugleich wird durch sanftes Krafttraining die Rücken-, Nacken-, Schulter- und Bauchmuskulatur gestärkt, um haltungsbedingte Probleme zu lösen. Ausdauertraining und Übungen im Wasser ergänzen das Programm.

Ein weiterer Punkt, der mir bis dahin neu war, bezieht sich auf das vegetative Nervensystem. Durch Wechselbäder, Eisabreibungen, Greifen in gefrorenen Erbsen, usw. wird es angeregt. Die Überlegung: die Reizleitungen können nicht gleichzeitig Schmerz und Kälte übertragen; reizt man es also mit Kälte, wird es möglich, den chronischen Schmerz zumindest punktuell zu unterbrechen. Dazu nimmt man einen gewöhnlichen Plastikbecher voller Wasser, in das ein Stiel hineingetan wurde, und läßt es in der Kühltruhe einfrieren. Der so entstandene Eislolli wird dann auf der Haut geführt - ein äußerst unangenehmes Gefühl, vor allem am hinteren Rücken oder den Oberschenkeln. Uaaaah! Ich bin ja schon so ziemlich verfroren, und diese Maßnahme hasse ich wie die Pest. Ähnlich die Sache mit den Erbsen: ein Beutel Erbsen, vielleicht ein Kilo, wird gefroren und in eine Schüssel gegeben; darin soll man jeweils einige Minuten mit den Händen hineingreifen bzw. mit nackten Füßen darauf.

Ein weiterer hilfreicher Punkt sind Schmerzblockaden: lokalisierte Betäubungen, die den Schmerzkreislauf unterbrechen sollen. Wenn der Patient schmerzfrei ist, und sei es nur für eine Weile, dann ist er in der Lage, sich zu entspannen und so eine weitere Schmerzquelle auszuschalten. Diesen Teil habe ich noch vor mir: aufgrund meiner Herzprobleme bin ich auf Marcumar angewiesen, das die Gerinnungsfähigkeit des Bluts senkt. Dadurch kann ich keine Spritzen ohne Blutungsgefahr bekommen. Ich mußte also das Marcumar absetzen (und darf mir statt dessen zweimal am Tag eine Spritze in den Bauch jagen - örks).

Bisher bin ich ganz zufrieden. Meine Schmerzen sind zwar nicht verschwunden, aber deren Stärke bewegt sich langsam nach unten, was wahrscheinlich an den Medikamenten liegt, die ich bekommen habe, vielleicht aber auch als Behandlungserfolg zu werten ist. Noch ist es zu früh, um das abschließend zu bewerten. Einen Nachteil habe ich: durch die Medikamente bin ich richtig müde. Ich schlafe zweimal am Tag für mindestens eine Stunde ein, oder wenn nicht, dann bin ich langsam und schläfrig. Das ist aber denke ich eine temporäre Lösung, das wird sich geben.

Ein Manko muß erwähnt werden: das Essen! Das schmeckt definitiv nicht. Mir ist klar, daß ich im Krankenhaus bin und daher kein Fünf-Sterne-Essen zu erwarten habe, aber ich lag nun schon in etlichen anderen Krankenhäusern, und ich muß sagen: ich habe schon besser gegessen. Fairerweise muß ich ergänzen: OK, ich habe auch schon schlechter gegessen :)