Von der Herzoperation Silvester 2005 zum Marathon Oktober 2007

Freitag, 13. Mai 2016

Über Die Haltbarkeit

Nicht ganz pünktlich zum zehnjährigen Bestehen dieses Blogs gibt es einen neuen Eintrag. Es gibt Neues, leider nichts Gutes.

Ich hatte mit dem Bloggen angefangen, um meine Fortschritte mit dem Laufen, weg vom meinem Status als Herzpatient zu dokumentieren. Der Blog gab mir auch Halt, wenn mein innerer Schweinehund zu stark wurde: ich wusste, da draußen gibt es ein paar Leute, die das alles lesen, sich mit mir freuen oder auch mitleiden, und durch ihre Rückmeldungen schaffte ich die Überwindung, dir ich manchmal brauchte.

Mit der Zeit entwickelte sich der Blog weiter. Als mein Zustand sich nach und nach verbesserte, verlagerte sich sein Schwerpunkt; es ging nicht mehr primär um die Krankheit, sondern mehr um den Sport. Ziele würden festgelegt, erreicht, überschritten; ich setzte mir neue Ziele und griff auch nach den Sternen, auch in Bereichen, die ich früher nicht mal gesund angestrebt hätte. Später entdeckte ich meine Grenzen und begriff, dass ich nicht weiter kommen konnte und auch nicht musste. Das Laufen wurde zu einer Selbstverständlichkeit, über die es nicht mehr viel zu berichten gab. So wurde es also still in diesem Blog: ich war gesund, und läuferisch gab es nichts Neues.

Nun ja, gesund: richtig gesund wurde ich nie. Ich hatte immer wieder Probleme mit meinem Herzen, aber ich lernte gut, mit ihnen umzugehen. Ich bin bei meinem Arzt in sehr guten Händen, und er hat mich immer wieder auf die Beine geholt. Ich lernte aber auch ganz gut zu verdrängen, denn meine Pulmonalklappe, die Prothese, ist seit Jahren verengt. Es gab mal die Ansage, dass sie im Laufe des nächsten Jahres ersetzt werden müsste. Das ist drei Jahre her, und ich war froh, dass es nicht so schnell ging, aber insgeheim wusste ich ja doch, dass mich das einholen würde.

Der Zeitpunkt ist jetzt gekommen. Das hat sich langsam angekündigt: meine Kreislaufkollapse kamen immer häufiger, sie dauerten länger, wurden schwerer. Vor drei Wochen doch so schwer, dass ich freiwillig in die Uniklinik ging, um mich untersuchen zu lassen. Die Klappe ist nicht wesentlich enger geworden, aber aus einer mittelgradigen Stenose ohne Symptome ist eine hochgradige geworden - und die Symptome, ja, die führten ja erst dazu, dass ich sie untersuchen ließ.

Der Professor versuchte erst eine Sprengung: ein Ballonkatheter wird in die Position gebracht und mehr oder weniger schlagartig aufgeblasen. Das soll die Engstelle beseitigen, aber so richtig hat es nicht funktioniert: nach der Sprengung war die Klappe fast genau so eng wie zuvor. Das war sehr enttäuschend, auch wenn es zu erwarten gewesen war: die selbe Klappe war schon vor viereinhalb Jahren auf gleicher Weise gesprengt worden, und sie fing unmittelbar danach an, sich zuzuziehen. Warum das so ist, ist nicht geklärt - statistisch gesehen passiert das bei 15% der Patienten, und ich gehöre dazu.

Jetzt brauche ich also eine neue Pulmonalklappe. Das Gute: die Technik hat sich weiterentwickelt. Mittlerweile kann die Klappe ohne Öffnen des Brustkorbs ausgetauscht werden. Die Methode ist ziemlich neu, so dass es keine Langzeit-Erfahrungen gibt, aber das Risiko nehme ich gerne auf mich: die Brust-OP war eine extreme Tortur, die ich so gut es geht vermeiden möchte. Außerdem ist die Überlegung, dass das nicht beliebig wiederholbar ist; wenn ich also jetzt meine Klappe per Katheter bekomme, habe ich mir die Möglichkeit aufgespart für eine möglicherweise notwendige Operation in der Zukunft.

Die OP klingt ein bisschen nach Science Fiction: ich bekomme eine Melody eingesetzt. Die wird gefaltet mit einem Drahtgeflecht mit einem Katheter über die Beinschlagader von innen an die Stelle der verengten Klappe geführt. Ein Ballon faltet sie auf und zerstört dabei die alte; das Drahtgeflecht fixiert sie an der Stelle. Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass das alles unfallfrei gelingen soll, und vor allem, dass die so eingesetzte Klappe hinterher besser funktionieren soll als die alte. Wir werden es erfahren.

Nicht erfahren werde ich dann nicht mehr, was genau das Problem mit meiner alten Klappe war. Dadurch, das sie nicht entnommen (und dabei auch zerstört) wird, ist diese Chance vertan. Aber das Leben ist ja kein Wunschkonzert.

Am 25. Mai ist es soweit. Ich werde berichten!