Von der Herzoperation Silvester 2005 zum Marathon Oktober 2007

Mittwoch, 20. April 2011

Schlechte Nachrichten - Kardiologenbesuch

Ich war heute nach etwas längerer Zeit beim Kardiologen (ich hatte terminlich-organisatorische Probleme, sprich habe einen Termin verpennt und bekamm erst später einen Ersatztermin).

Mein Belastungs-EKG verlief wie gewohnt, ich schaffte die 200 Watt, und bei 225 stieg ich freiwillig vom Rad. Überraschend war das nicht, denn ich war ja schon den Feldberg hochgekommen. Naja, schön war das auch nicht - 10 Minuten strampeln, das klingt harmlos, ist aber wirklich schweisstreibend!
Auch mein Ruhepuls (52) und mein Blutdruck (110/80) waren in bester Ordnung. Lediglich das Abhören brachte ein kleines Stirnrunzeln beim Kardiologen hervor, da war ein Geräusch, das dort nicht hingehört.

Beim Echokardiogramm wurde die Ursache klarer: meine Pulmonalklappe, d.h. die Klappenprothese, ist verengt, und zwar so sehr, dass das Blut an dieser Stelle etwas schneller fliessen muss. Diese Strömung kann man hören.

Ich hatte das schon mal gehabt: 2008 wurde das zum ersten Mal festgestellt, aber damals hiess es, die Verengung sei erstens normal, d.h. sie tritt oft auf bei Ross-Patienten, und zweitens nicht so schlimm. Ich war damals zunächst beunruhigt und dann wieder beruhigt. Alles OK, solange die Verengung nicht weiter fortschreitet.

Jetzt scheint es so zu sein, dass genau das passiert: die Klappe verengt sich weiter. Der Druckgradient lag vor einem Jahr bei 30 mmHg, heute bei 33 - das ist eine Zunahme von 10%. Ich mag das nicht in die Zukunft extrapolieren, zumal ich gelernt habe, dass eine solche Verengung nicht linear stattfindet, sondern sich immer weiter beschleunigt, aber das Bild ist deutlich. Der Kardiologe meinte, es sei jetzt nicht so gravierend, dass man einschreiten müsse, aber wenn es auf 40 oder 45 klettert, müsse man über erneuten Ersatz der Klappe oder Sprengung nachdenken.
Sprengung klingt spannend: da fährt man mit einem Ballonkatheter bis an die dichte Stelle und bläst ihn schlagartig auf, so dass die Klappe wieder frei wird. Und doch: keine schöne Vorstellung.

Mein Arzt ("Ich bin aus Hamburg, wir sagen da gern, wie es ist") meinte, eine Reoperation sei schwerer als die ursprüngliche. Wenn, dann sollte ich nach Lübeck fahren, das sei die einzige Klinik, die sich darauf spezialisiert habe. Aber noch ist es nicht soweit: ich werde es im Dezember erfahren.

Sein Statement bezüglich des Marathonlaufs war eindeutig: nein. Ein Halbmarathon sei noch vertretbar, aber ein Marathon sie einfach eine zu hohe Belastung dafür.

Donnerstag, 7. April 2011

Pennerleben

Es war Ende Oktober, als es schon kalt war, mir aber ganz bewußt war, daß der Winter immer noch vor mir lag. Die Perspektive eines noch kälteren, noch schlechteren Wetters über längere Zeit drückte mir schwer aufs Gemüt. Dazu die Trennung, die neue leere Wohnung, die Arbeitslosigkeit, die ganze unbequeme Situation. Ich kämpfte dagegen an, wie ich konnte: ich ging viel laufen, ich versuchte mich abzulenken.

Eines Abends ging ich mit meinem alten Freund Peter ins Kino. Der Abend war ganz nett, wir unterhielten uns danach angenehm und tranken noch ein Bierchen, aber irgendwann verabschiedete er sich und ging nach Hause - er mußte ja am nächsten Tag früh raus. Ich aber nicht, und der Gedanke, jetzt in meine leere Wohnung zu fahren, schien mir unerträglich. Ich beschloss, noch irgendwas zu trinken zu besorgen - ich hatte ja kein Geld, um irgendwohin zu gehen. Aber im myZeil im Untergeschoss ist ein Rewe-Markt, der bis Mitternacht offen hat, und da konnte ich mich versorgen.

Um die Uhrzeit war die Kundschaft schon etwas speziell: ich erkannte einige, die in gleicher Absicht wie ich dort reingegangen waren, dazu noch Gruppen junger Leute, deren einzige Art zu feiern eben ein Besäufnis zu sein schien, und versprengt den einen oder anderen Büromenschen, der nochmal schnell sein Frühstück für den nächsten Tag holte. Als ich die Wahl hatte, fiel es mir schwer, mich zu entscheiden: was wollte ich eigentlich trinken? Bier hatte ich schon gehabt, Hochprozentiges schien mir dann doch zuviel, und irgendwie konnte ich mir gar nicht vorstellen, mir eine ganze Flasche Wein einzuverleiben. So trüb meine Laune gerade war, endgültig abschiessen wollte ich mich doch nicht, und auch in dieser Situation war mir klar, daß ich keinen Alkohol vertrage. Am Ende fand ich was Passendes: Alcopops! Kleine Flaschen, was die Gefahr einer zu starken Alkoholisierung vorbeugte, und doch irgendwie lecker. Ich entschied mich für eine vorgemixte Pina Colada o.Ä., so genau weiß ich das nicht mehr. Dazu holte ich mir eine Tüte Erdnüsse.

Ich setzte mich auf eine Bank mitten auf der Zeil. Es war kalt, aber das war mir egal, ich genoß es sogar, in dieser Scheißkälte zu sitzen und mir selber leid zu tun, während ich mir das Gehirn wegsoff - nun ja, wenigstens ein bißchen. Die Atmosphäre war irreal, es waren einige Menschen unterwegs, und doch war es sehr still und beinahe abgeschieden. Von meiner Bank aus ergab sich plötzlich ein ganz starkes Bild mit den Gebäuden, den harten Lichtern und der ungewohnten Perspektive. Ich hatte zwar keine Kamera dabei, aber mein Handy machte doch ganz passable Bilder, also machte ich ein paar Fotos. Für ein bestimmtes Motiv stand ich auf, ging ein paar Meter und fotografierte ein bißchen herum. Nicht lange, es werden maximal zwei Minuten gewesen sein.

Als ich zu meinem Platz zurückkehren wollte, erlebte ich eine unliebsame Überraschung: ein Penner hatte sich dahingesetzt und trank gerade gierig aus meiner Flasche, während er die Finger in meine Tüte Erdnüsse grub. Ich konnte es gar nicht fassen, ich war gar nicht so lang weg gewesen!

"Hey!", schrie ich den Penner an, "sag mal, das ist doch nicht deine Flasche?"
Er schaute mich etwas abschätzig an und meinte: "Hab sie zuerst gefunden. Ist auch nicht deine!" Er genehmigte sich gleich einen Schluck, was mir sowieso jede Lust nahm, aus der gleichen Flasche zu trinken.
"Das gibt es nicht. Kann man hier nicht zwei Schritte gehen, ohne auf seine Flasche aufzupassen?" Ich wurde innerlich richtig wütend, aber gleichzeitig resignierte ich. "Weißt du was: behalt sie. Prost, Arschloch!"

Der Penner schien sich nicht davon beeindrucken zu lassen. Er schaute mich nachdenklich an und meinte dann: "Wenn ich dich so ansehe, glaube ich eh nicht, daß es deine Flasche ist. Ich war halt schneller als du!"

Mit einem Mal war ich wieder ganz nüchtern. Dieser Kerl da sah mich als seinesgleichen an! Und er dachte, ich würde da auch herumgammeln und nach Alkoholresten in herrenlosen Flaschen suchen! Plötzlich wollte ich nicht mehr trinken, ich wollte nur noch schnell nach Hause fahren. Ich ließ den Penner mit seiner Beute sitzen und machte mich auf den Weg in die S-Bahn. Was mich traf, das war die Erkenntnis, was ich wohl für ein Bild nach außen abgab.

Damit wollte ich dann doch nichts zu tun haben.