Von der Herzoperation Silvester 2005 zum Marathon Oktober 2007

Sonntag, 22. Juli 2012

Langsam wird es wieder

Seit ein paar Wochen habe ich ein neues Medikament für mein Herz. Das soll gegen Herzrhythmusstörungen wirken, vor allem gegen Vorhofflimmern, das ich in letzter Zeit des öfteren hatte. Davor hatte ich ein Betablocker zum gleichen Zweck, aber das wirkte erstens nicht ausreichend (ich bekam trotzdem Vorhofflimmern), und zweitens bewirkte es eine weitere Herzrhythmusstörung, die chronotrope Inkompetenz. Bei dieser ist das Herz nicht in der Lage, bei Belastung höher zu schlagen, so dass die Leistungsfähigkeit massiv zurückgeht.

Die Eingewöhnungsphase ist mittlerweile vorbei, so dass ich ein erstes Fazit ziehen kann. Die Bilanz ist positiv: im Moment kann ich ganz gut laufen, das Herz schlägt also höher bei Belastung, und ich bin nicht mehr so kurzatmig. Es gibt ein paar Kleinigkeiten noch, die vielleicht verschwinden werden, aber doch stören: erstens bin ich ewig müde, ich könnte jederzeit einschlafen. Zweitens habe ich derzeit recht seltsame Pulse, mein Ruhepuls liegt bei etwa 42, was immerhin schon 10% höher als mit dem Betablocker ist, aber doch etwas niedrig. Bei Belastung steigt er aber regelmäßig bis in den 160er Bereich, was eigentlich nicht gewollt war - ich soll meinen Puls bis etwa 145 hochtreiben, um das Herz zu schonen. Momentan klappt das noch nicht, vielleicht muß ich mich noch weiter daran gewöhnen.

Außerdem merke ich natürlich die Pause schon. Ich bin weit von dem Fitnesszustand entfernt, den ich vor meinem Inliner-Unfall vor genau 12 Wochen hatte. In der Zeit (5 Wochen absolute Laufpause, 3 davon auf Krücken) habe ich 4 Kilo zugenommen. Die sind mittlerweile wieder runter (heute habe ich das 5. Kilo wieder abgeschüttelt, d.h. ich bin heute sogar ein bißchen leichter als damals). Aber längere Läufe, und dazu zähle ich z.B. meine Quasi-Standardstrecke zum Westhafen von 16 km, machen mir Probleme. Heute bin ich wieder 14,5 km gelaufen, und ich habe festgestellt, daß meine Herzfrequenz mit zunehmender Dauer steigt - unabhängig davon, daß ich das Tempo ein bißchen rausnehme, um dem entgegenzuwirken. Das ist wohl ein Zeichen von fehlender Fitness.

Alles in allem freue ich mich zwar, daß ich laufen kann, aber ich sehe große Probleme vor mir. Der Frankfurter Marathon im Oktober, den ich mir fest vorgenommen hatte, erscheint mir jetzt vielleicht machbar, aber da darf nichts dazwischenkommen.

Samstag, 7. Juli 2012

Chronotrope Inkompetenz

What?, war das erste, das mir zu diesem Begriff einfiel, nämlich nichts. Aber damit hatte das Kind wenigstens einen Namen. Nach der letzten Untersuchung ergab sich ein klares Bild.

Ich war zweimal mit dem Langzeit-EKG laufen, um einigermaßen zuverlässige Daten zu sammeln. Das erste Mal, letzten Samstag, versuchte ich auch etwas schneller zu laufen, um etwaige Sprünge zu provozieren und sie damit dokumentieren. Das Problem: ich konnte gar nicht erst schnell laufen. Der Versuch brachte mich vor allem an den Rand der Atemlosigkeit, aber besonders schnell wurde ich nicht, und mein Puls auch nicht. Nachdem ich es eingesehen hatte, versuchte ich auf Normalpuls zu kommen und wenigstens die 10-km-Runde fertig zu laufen, mit mäßigem Erfolg. Ab km 6 wollte mein Körper nicht mehr, und ich mußte mich regelrecht zwingen. Ich schaffte 9 Kilometer.

Am nächsten Tag, Sonntag, habe ich gar nicht erst versucht, auf hohe Touren zu kommen, sondern bin einfach gemütlich gelaufen, ohne irgendwas zu wollen. Im Durchschnitt unterschied sich interessanterweise die Zeit gar nicht, aber dadurch, daß ich gar nicht erst aus der Puste kam, konnte ich bis zum Ende der 10 km laufen. Auch das war kein Vergnügen, aber es war wesentlich angenehmer.

Ich hatte mir noch vorgenommen, am Montag noch einen dritten, kurzen Lauf hinzuzufügen, bei dem ich evtl. doch die hohen Pulsregionen schaffte, aber ich war zu kaputt. Das mußte reichen, zumal ich ja noch die Spiroergometrie in der Uniklinik hatte.

Am Dienstag war es soweit, ich brachte das Gerät zurück (endlich duschen! Die Elektroden hatten ganz schön gejuckt) und absolvierte meine Spiroergometrie. Die war etwas besser als der Belastungs-EKG die Woche zuvor, weil die Steuerung graduell anstieg statt in Stufen, das machte es mir zumindest einfacher. Aber mit 150 Watt hätte ich auch keine Olympia-Qualifikation erreicht :)

Währenddessen war die Auswertung des EKGs fertig, und mit beidem bin ich dann zum Oberarzt, der sich der Sache angenommen hat. Ein beeindruckender Stapel Papier. Im wesentlichen wurde die vorherige Annahme bestätigt: aufgund des Betablockers reagierte mein Herz nicht auf die Anforderung, höher zu schlagen, so daß ich ab einer bestimmten Leistungsstufe keine Luft mehr bekam. Laut Spiroergometrie war diese Stufe knapp über meiner anaeroben Grenze - im Prinzip konnte ich also nur noch Aerobics machen.

Trotzdem waren im Verlauf der 72 Stunden während meines EKGs mehrere Etappen mit Vorhofflimmern vorhanden. Der Betablocker schnitt also zuviel der hohen Pulse ab, ohne es zu schaffen, die ganz hohen abzuschneiden. Aufgrund des Vorhofflimmerns hätte ich die Dosis erhöhen müssen, was aber angesichts der chronotropen Inkompetenz nicht ging.

Was tun? Ein paar Möglichkeiten zeigen sich. Seit ein paar Jahren läßt sich Vorhofflimmern erfolgreich abladieren. Ich kenne das schon, bei mir wurde das an den Herzwänden dreimal durchgeführt. Damals war der Erfolg aber nicht hundertprozentig, und die Methode an der Pulmonalvene war noch sehr neu. Schön ist das nicht, man liegt stundenlang bei Bewußtsein auf der Liege mit einem Katheter in der Leiste, die Ärzte fummeln an ihren Geräten, und wenn sie den Punkt gefunden haben, dann wird der Katheter für eine Narbenbildung erhitzt - das tut weh.

Die zweite Möglichkeite ist, den Betablocker, der offensichtlich zuviele Nebenwirkungen verursacht, abzusetzen, und ein anderes Antiarrhythmikum zu versuchen. Die Wahl fiel auf ein Medikament mit dem afghanisch anmutenden Namen Multaq, ein relativ neues Medikament, das äußerst selektiv die Herzrhythmusstörungen bekämpft. Das habe ich nun seit Montag, und langsam beginne ich mich, daran zu gewöhnen. Was mir auffällt: ich bin ständig müde und könnte dauernd schlafen!

Ich bin heute 13,6 km gelaufen, und das Herz scheint jetzt normal zu reagieren. Zumindest geht es mühelos auf Bereiche um die 160 Schläge, was es vorher gar nicht geschafft hatte. Natürlich ist es nicht besonders gut, schon beim 6 min/km auf 160 zu kommen, und es war auch heute ziemlich anstrengend, andererseits ist es schon eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Betablocker. Ich werde das weiter beobachten.

Die spannende Frage bleibt aber unbeantwortet: woher habe ich plötzlich wieder Vorhofflimmern? Das war immerhin seit mindestens anderthalb Jahren nicht mehr vorgekommen, schon gar nicht in dieser Vehemenz. Leider ist die Frage aber anscheinend nicht zu beantworten: das Herz, so der Arzt, sei ein dynamisches, hochkomplexes Gebilde, und schon kleine Veränderungen in der Physiologie können dazu führen, daß es anders reagiert. Bei mir kommen viele Faktoren dazu, die es noch komplizierter machen: zum einen die Herz-OP, die dadurch veränderte Lage des Herzen im Brustkorb, dann die Ablationen, die schon Veränderung im elektrischen Leitungssystem bewirkt haben. Dazu kommt, daß ich durch die Pulmonalstenose erhöhten Druck im rechten Herzen habe, und durch die alte Aortenstenose , die zur Operation geführt hatte, hatte ich lange Zeit erhöhten Druck im linken Herzen.

Kurzum: ich kann eigentlich froh sein, daß es überhaupt so gut funktioniert.

Montag, 2. Juli 2012

Kontrolltermin und weiteres Vorgehen

Am Freitag hatte ich meinen Kontrolltermin an der Uniklinik. Zur Erinnerung: vor drei Monaten war meine letzte Untersuchung gewesen, und ich hatte drei Monate Aufschub bekommen.

Das war auch bitter nötig. In letzter Zeit häuften sich Probleme mit meinem Herzen. Angefangen damit, dass ich sehr unfit war - nun gut, das konnte ich ja verkraften, hatte ich doch wochenlang nicht laufen können, inklusive 3 Wochen mit den Krücken. Aber zuletzt hatte ich sehr seltsame Pulswerte, Palpitationen, Schmerzen in der Brust, und zwar so stark, dass ich ein paarmal kurz davor stand, den Notarzt anzurufen. Ich tat das nicht und lernte, daß sie auch so wieder vorbeigingen, mitunter also nicht gefährlich waren. Beunruhigend war das allemal.

Am 14.6. lief ich noch den JP Morgan Chase Corporate Challenge teilgenommen. Von der Distanz eine Kleinigkeit (5,6 km), auch sonst keine sportliche Herausforderung, wenn man nicht wochenlang nicht trainiert hat und ein paar Kilo zuviel mit sich trägt. Ich lief mit einigen Kollegen und wollte versuchen, etwas schneller als sonst zu laufen, um eben doch eine sportliche Aktivität daraus zu machen; sonst war das immer mehr eine witzige Massenveranstaltung gewesen.

Etwa zur Hälfte gibt es einen kleinen Anstieg, der mir ganz schön zu schaffen machte, und da merkte ich plötzlich, dass mein Puls wieder hochging: ich spürte wieder dieses "metallische" Gefühl an Hals und oberen Brustbereich, meine Beine wurden schwer wie Blei und ich konnte kaum vorankommen. Der Blick auf die Pulsuhr bestätigte das: Puls 245, ich hatte wieder Vorhofflimmern.

Ich bremste ab, ließ meinen Puls wieder runterkommen (was gar nicht so leicht war) und schleppte mich irgendwie ins Ziel. Das war sehr unangenehm: mein letztes Vorhofflimmern war vor anderthalb Jahren gewesen, und schon damals hatte es nicht so lang angehalten. Dazu kam, daß ich relativ ungeschützt bin: da mein Herz sich gut verhielt, durfte ich das Marcumar absetzen, das der Vorbeugung von Schlaganfällen infolge von Blutgerinnselbildung dienen sollte. Jetzt hatte ich den Salat: kein Marcumar, aber Vorhofflimmern.

Ich erhöhte daraufhin die Betablocker-Dosis. Der Betablocker soll eben diese hohen Pulse verhindern, und da ohne Marcumar fühlte ich mich ziemlich nackig. Die neue Dosis hatte ich schon mal gehabt, aber ich hatte sie mir halbieren lassen, weil ich sie nicht vertragen hatte - zu niedrigen Puls und Leistungseinbußen. Aber jetzt kam es darauf an, das Vorhofflimmern zu verhindern.

In der Folgezeit begann mein Herz an zu spinnen. Es wechselten sich Niedrigpulsphasen

mit Herzrasenphasen ab, ich wurde kurzatmig, die Stiche in der Brust nahmen zu. Für mich waren das Zeichen, daß meine Herzklappe endgültig den Geist aufgab, und stellte mich innerlich auf einen Ersatz ein.

Zum Glück kam das anders: die Pulmonalklappe ist nach wie vor verengt, aber ich habe immer noch eine mittelgradige Stenose und keine hochgradige; erst bei letzterer müßte meine Klappe ausgetauscht werden. Die Kurzatmitgkeit und die ganzen Beschwerden erklärte sich der Arzt mit der höheren Betablockerdosis: der soll die hohen Pulse abschneiden, und offensichtlich scheidet er soviel ab, daß die Pumpleistung darunter leidet. Das Problem: ich brauche den Betablocker, um das Vorhofflimmern zu verhindern.

Jetzt zeichnet sich eine Möglichkeit ab, dem Ganzen beizukommen: ein anderes Medikament (ich habe mir den Namen nicht gemerkt) soll gezielt und wirksam das Vorhofflimmern verhindern. Als Vorbereitung dazu bekam ich am Freitag ein 72-Stunden-EKG angehängt, eine kleine Kiiste, die mich den ganzen Tag begleitet. Ich sollte ausdrücklich damit laufen gehen (was mich ziemlich viel Kraft gekostet habe; ich schaffe es nicht, den Puls über 145-150 zu bekommen, und da fehlt mir die Luft). Gestern war ich damit 9 km laufen, heute 10 km - beides kein Vergnügen. Vielleicht gehe ich morgen früh noch eine kurze Runde.

Am Dienstag werde ich noch eine Spiroergometrie machen lassen und damit hoffentlich genug Daten gesammelt haben, um zu sehen, was der geeignete Weg aus der Misere ist. Immerhin, die zwei Ärzte, die mich untersuchten, meinten beide übereinstimmend, es sei wichtig, daß sie mich wieder zum Laufen bringen.