Von der Herzoperation Silvester 2005 zum Marathon Oktober 2007

Donnerstag, 29. September 2011

Da stehe ich nun, ich armer Tor...

Ich war gestern beim Kardiologen, um die weitere Vorgehensweise zu besprechen. Mein Anliegen war zu klären, inwieweit mein Zustand einen Kathetereingriff notwendig macht, und ob es nicht weniger invasive Methoden gibt, die mir vergleichbare Resultate liefern können - auf der einen Seite. Auf der anderen Seite wollte ich seine Meinung über meinen Zustand allgemein erfahren (es stand die Frage nach einer neuen OP im Raum) und speziell im Hinblick auf den Marathon am Sonntag.

Ich traf auf einen sehr sympathischen, kompetent wirkenden Arzt, der sich Zeit für mich nahm, der nachfragte, der zuhörte, der mir Dinge erklärte, wenn ich etwas nicht gleich verstand. Das Gespräch tat mir außerordentlich gut, denn ich fühlte mich nicht abgefertigt und wurde ernst genommen. Schon allein deshalb war der Arztbesuch ein Erfolg.

Die Beurteilung meines körperlichen Zustands aus kardiologischer Sicht war keine große Überraschung, Der gemessene Gradient an meiner Pulmonalklappe ist da, und das ist etwas, das man ernst nehmen und genau beobachten muß. Andererseits ist er, wenn die Klappenverengung nicht weiter fortschreitet, nicht bedrohlich, und ich muß nicht unmittelbar mit größeren Problemen rechnen. Das klang schon mal sehr positiv, war mir aber wie gesagt nicht neu, denn so oder so ähnlich hatten die Befunde der untersuchenden Ärzte geklungen - bis auf den einen, meinen Kardiologen, der mich im April so aufgescheucht hatte.

Der Arzt lieferte mir auch eine nachvollziehbare Erklärung für die Notwendigkeit der Katheteruntersuchung. Die Pulmonalklappe, um die es hier geht, ist im Ultraschall generell sehr schwer einzusehen, weil sie von außen betrachtet etwas versteckt liegt. Die Messungen sind also ungenau; man kann zwar erkennen, dass da etwas ist, man kann es aber nicht verläßlich bemessen. Dazu kommt, daß meine Trikuspidalklappe ein kleine Insuffizienz aufweist; auch die ist nicht neu, scheint sich aber jetzt verstärkt zu haben. Für sich genommen ist sie völlig unbedeutend, denn der Vorhof kann mit einer kleinen Klappenundichtigkeit mühelos umgehen, aber sie könnte ein Hinweis darauf sein, daß der Druck in der Kammer gestiegen ist, was wiederum ein weiteres Indiz für die verengte Pulmonalklappe wäre. Gewißheit könnte man nur durch die Katheteruntersuchung bekommen, und die sei dann sehr genau. Er beruhigte mich auch hinsichtlich des Risikos der Untersuchung: da das Rechtsherz betroffen sei, bei dem der herrschende Druck vergleichsweise niedrig ist, seien kaum Komplikationen zu erwarten: er sprach hier von einem halb-invasiven Verfahren.

Der Wermutstropfen war dann seine klare und unbedingte Absage an den Marathonlauf. Generell sollte ich mit einer Herzerkrankung, speziell mit dieser, keinen Marathon absolvieren. Als ich ihm sagte, daß ich schon zwei hinter mir hatte, war er schockiert. Keine belastenden Tätigkeiten, die man nicht regelmäßig ausübt, das sei seine goldene Regel, und auch wenn das im Gespräch ein wenig relativiert wurde, da ich regelmäßig trainiere, war seine Ansage klar und deutlich: nicht laufen.

Diesen Punkt haben wir ganz am Anfang besprochen, noch bevor er meinen Befund durchgelesen hatte. Die Empfehlung basierte nicht auf Erkenntnisse aus dem vorliegenden Bericht, sondern war Ausdruck seiner generelle Haltung dieser Art von Sport gegenüber. Das ist mir klar, und andere Ärzte würden darüber anders denken, wie ich ja an meinem Hausarzt und dem untersuchenden Arzt aus der Uniklinik gesesehen habe. Dennoch stecke ich in das Dilemma, daß ich diesen Arzt für sehr kompetent halte und menschlich mit ihm bestens auskomme, so daß ich seine Meinung in dem Punkt nicht einfach abtun kann.
Ich grüble die ganze Zeit, und momentan tendiere ich dazu, es doch zu tun: seinen guten Rat hier zu ignorieren und in Köln zu starten. Mir ist klar, daß ich ein Risiko begehe, aber das wußte ich schon vorher, und an der Faktenlage hat sich nichts geändert. Und doch ist mir die Leichtigkeit, die ich bis vor ein paar Tage noch hatte, ziemlich vergangen. Ich werde starten (wenn ich das tue), aber mit einem sehr angespannten Gefühl in der Magengegend.

Sonntag, 25. September 2011

Meine Marathonvorbereitung in Zahlen

Läufer sind Zahlenfetischisten. Zumindest dieser hier kann sich viel besser motivieren, wenn er handfeste, nachprüfbare Fakten in sein Tagebuch eintragen kann. Die Auswertung ist dann schon Teil der Belohnung.

Für meinen Marathon suchte ich mir einen Trainingsplan von Klemmbrett Karraß aus der Achim-Achilles-Webseite aus: Marathon unter 4 Stunden. Mittlerweile habe ich gelernt, daß es viele verschiedene Pläne gibt, mit jeweils unterschiedlichem Hintergrund und Philosophie, und daß sie mitunter ganz unterschiedlich ausfallen. Ich entschied mich für diesen aus rein pragmatischen Gründen: ich hatte schon mal damit gute Erfahrungen gemacht, er war kostenlos, und er schien mir durchführbar. Mein Gedanke war: Hauptsache ein Plan. Ich brauchte eine unabhängige Instanz, die mich auch dann zum Laufen motivierte, wenn ich keine Lust hatte. Hat funktioniert, und an dieser Stelle bedanke ich mich schon mal bei Jens Karraß für die geleistete Hilfe!

Die Zahlen: wenn ich am kommenden Sonnstag den Marathon laufe, werde ich 14 Wochen trainiert haben. Ja, der Plan ging nur 12 Wochen, aber aus einer Unsicherheit heraus begann ich zwei Wochen früher und hatte so eine kleine Verfügungsmasse, um mich an die strengen Regeln des Plans zu gewöhnen.

In dieser Zeit war ich 48 Mal laufen (bis zum Ende werden es 51 sein). Durchschnittlich viermal pro Woche, manchmal nur drei, gegen Ende auch fünf. Dabei verbrachte ich 66:36 Stunden auf den Beinen und legte 692 Kilometer zurück. Dabei verbrannte ich 53.924 kcal. Diese letzte Zahl ist nur ein Schätzwert, den die Sportuhr anhand der eingegebenen Parametern ausrechnet, aber in dieser Zeit habe ich 5 Kilo abgenommen. Wenn ich bis in den Januar zurückblicke, dann habe ich seitdem über 1.500 km zurückgelegt und etwa 10 Kilo abgenommen.

In dieser Zeit habe ich unterstützend ein paar Dinge getan, die ich sonst nicht tat: erstens, ich war zweimal wöchentlich im Fitnesstudio und habe an meiner Rücken- und Bauchmuskulatur gearbeitet. Zweitens habe ich wesentlich mehr gedehnt, und auch wenn ich immer noch steif wie ein Stock bin, bin ich wenigstens ein etwas flexiblerer Stock geworden :) Drittens habe ich das 100-Pushups-Programm einigermaßen durchgezogen (ich habe es nicht ganz geschafft, aber ich habe auch noch nicht aufgegeben!), ich stecke noch in der 5. Woche fest. Jedenfalls bin ich jetzt in der Lage, aus dem Stand 50 Liegestütz zu machen - so viele wie noch nie.

Viertens habe ich in den letzten Wochen eine strenge Low-Carb-Diät durchgezogen mit dem Ziel, das Carboloading vor dem Marathon noch besser zu unterstützen. Die Idee ist, sowenig Kohlenhydrate wie möglich zu sich zu nehmen, auch und gerade vor den langen Läufen. Dabei gewöhnt man den Körper daran, effektiver mit den Glykogenspeichern umzugehen. Wenn man dann vor dem Wettkampf diese auffüllt (auf die vielen Nudeln freue ich mich jetzt schon!), dann werden sie erstens noch voller, und zweitens kann der Organismus noch viel mehr Nutzen daraus ziehen. Es ist ein Versuch, und ich kann es natürlich nicht messen, aber ich bilde mir ein, beim Koberstädter Halbmarathon davon profitiert zu haben.

Stichwort Wettkämpfe: während dieser Vorbereitung habe ich meine Persönliche Bestzeit sowohl für die 10 Kilometer (von 50 auf 48 Minuten) als auch für den Halbmarathon (von 1:50 h auf 1:45, wobei hier die Strecke ein wenig kürzer war, so daß ich realistischerweise 1:46:30 angeben müßte). Die 5 km bin ich noch nicht gelaufen, der Marathon ist am Sonntag. Das Ziel, den Marathon unter 4 Stunden zu finishen, werde ich wohl ziemlich sicher erreichen. Jetzt will ich sehen, wie weit ich darunter komme, wobei ich in erster Linie heil und glücklich ankommen möchte.

Alles in allem bin ich gut vorbereitet, ich hatte auch Glück, während dieser Zeit nicht ernsthaft krankgeworden zu sein; auch habe ich mich nicht verletzt. Und auch wenn ich jetzt langsam ein bbißchen nervös werde, muß ich sagen: ich freue mich auf Sonntag!

Dienstag, 20. September 2011

Hü und Hott, und Hott und Hü, weils so schön ist...

Mein letzter Post enthielt noch den einschränkenden Halbsatz, daß mir das positive Untersuchungsergebnis noch nicht vorlag. Eine ziemliche Ernüchterung stellte sich ein, als der Befund dann per Post nach Hause kam. Zwar waren die aufgenommenen Fakten schon so, wie mir der untersuchende Arzt das mitgeteilt hatte. Der unterzeichnende Oberarzt beurteilte die Lage aber ein wenig anders; die Verengung der Klappenprothese einerseits und eine vorhandene, schon bereits mehrfach begutachtete und für harmlos befundene Insuffizienz der Trikuspidalklappe andererseits erforderten eine Untersuchung per Herzkatheter, um fundierte Angaben zur körperlichen Belastbarkeit machen zu können.

Das war für mich mal wieder ein Dämpfer. Eine Katheteruntersuchung ist kein Spaß, sie ist eine ernste Angelegenheit, die schon für sich ein gewisses Risiko birgt. Ich habe nicht direkt Angst davor, ich hatte schon derer vier: die erste führte direkt zur Herzklappen-OP, ich durfte das Krankenhaus nicht mehr verlassen. Die Untersuchung selbst verlief reibungslos, und die Diagnose waar schnell gestellt (meine Aortenklappe war komplett verkalkt, so daß sie nur zu 20% ihrer ursprünglichen Größe verengt war), aber ein paar Stunden nach dem Eingriff kollabierte mein Kreislauf, als mir der Pfleger den Zugang an der Leiste entfernte und einen Druckverband anlegte. Ich erinnere mich an die Panik in seinen Augen, während er verschiedenes versuchte, um mich wieder aufzupäppeln, und an die plötzliche Ruhe meiner ansonsten sehr geschwätzigen Zimmergenossen. Die drei weiteren waren streng genommen keine Untersuchungen, sondern korrigierende Eingriffe, sogenannte Elektrophysiologische Untersuchungen, bei denen das Gewebe an der Herzwand durch Erhitzen verödet wird, um Herzryhthmusstörungen zu beseitigen. Diese drei waren sehr unangenehm, zum Teil ziemlich schmerzhaft; die längste dauerte über 5 Stunden, die letzte wurde nach etwa zwei Stunden ergebnislos abgebrochen.

Wie gesagt, es ist nicht so, daß ich Angst vor dem Katheter gehabt hätte. Respekt und eine gehörige Portion Unwille aber schon. Trotzdem ließ ich mich darauf ein, um ein klares Untersuchungsergebnis herbeizuführen. Ich machte also einen Termin für nächsten Freitag aus. Dafür brauchte ich noch eine Klinikeinweisung von meinem Hausarzt und bat dafür nochmal um ein Gespräch. Parallel dazu hatte meine Kollegin Daniela mir von anderen Untersuchungsmethoden erzählt (namentlich die MRT, die ich schon einmal hatte über mich ergehen lassen müssen), und mich dazu an einen fachkundigen Arzt verwiesen, der mich wiederum zu einem Kardiologen in Bad Homburg weiterbat. Den Kardiologen habe ich noch nicht gesprochen, ich bekam einen Termin erst für nächste Woche, aber das Gespräch mit meinem Hausarzt verlief doch sehr beruhigend. Er konnte aus den gemessenen Werten keine unmittelbare Notwendigkeit für einen Katheter ablesen und meinte, vielleicht sollte ich im nächsten halben Jahr darüber nachdenken, aber doch nicht jetzt und schon gar nicht eine Woche vor dem Marathon.

Auch er tat sich schwer, mir eine klare Empfehlung auszusprechen. Natürlich ist klar, daß ich nicht komplett gesund bin, und anscheinend möchte niemand als derjenige dastehen, der mir einen Marathonlauf empfohlen hat, wenn ich dabei zusammenbreche. Andererseits, so gab er mir zu verstehen, sei mein Zustand eben nicht dramatisch verschlechtert und allgemein gesehen auch nicht schlecht. Ich habe also den Termin für die Katheteruntersuchung abgesagt und werde mich am 27. nochmal mit dem Kardiologen besprechen - 5 Tage vor dem Lauf. Die Spannung steigt!