Von der Herzoperation Silvester 2005 zum Marathon Oktober 2007

Freitag, 30. Dezember 2011

Geburtstag!

Heute feiere ich meinen 2. Geburtstag, und das zum 6. Mal. Genau: vor genau 6 Jahren hatte ich meine Herz-OP (ich hatte mal einen Bericht darüber geschrieben). Ich hatte damals Glück, daß ich es überlebt habe, und aus einem Spruch des Kardiologen damals ("Sie hatten Silvester und Geburtstag gleichzeitig") habe ich beschlossen, den Tag wie einen zweiten Geburtstag zu feiern.

Jahresende ist eine gute Zeit, um Rückblicke zu fassen, und ich will mich daran halten. 2011 war ein gemischtes Jahr mit Höhen und Tiefen.

Sportlich gesehen kann ich es durchaus positiv verbuchen: ich bin wieder ins Laufen gekommen, habe dabei mit 2000 km mehr Jahreskilometer als je zuvor geschafft, bin relativ erfolgreich durch einen Marathon gekommen und habe etliche Streckenrekords unterboten. Vor allem der Halbmarathon und die 10 Kilometer sind mir gut gelungen: den HM komplett unter 5 min/km gelaufen, den 10er in 46 Minuten. OK, es gab ein paar selbstgesteckte Ziele, die ich nicht erfüllen konnte. Den 10er wollte ich gern unter 45 Minuten laufen, das habe ich nicht geschafft, und ich habe mich aus gesundheitlichen Gründen auch nicht daran getraut. Den Marathon wollte ich gern unter 4 Stunden laufen, und daß ich das nicht geschafft hat, ärgert mich ein bißchen, denn es war im wörtlichen Sinne "dumm gelaufen", ich hätte es packen können, wenn ich nicht zuviel gewollt hätte. Aber so bleibt ja ein Ziel fürs nächste Jahr übrig, und das ist auch OK so.

Gesundheitlich war das Jahr durchwachsen. Ich bin ganz gut ins Jahr gestartet, habe mich durch den Winter gearbeitet und bin im Frühjahr mit ein paar Kilo Übergewicht Halbmarathons gelaufen. Dann kam der Ärztecheck mit der schlechten Nachricht, dass meine Herzklappe wieder zumacht. Zuerst habe ich mich etwas zurückgezogen, dann erkannt, daß ich mich nicht danach fühlte und doch eine Zweitmeinung einholen wollte. Die war weit positiver, konnte aber keine abschliesende Klarheit in der Sache bringen, so daß ich zwar noch den Marathon gelaufen bin, unmittelbar danach aber zum Herzkatheter mußte. Das Ergebnis war schlechter als gedacht, meine Herzklappe war tatsächlich stark verengt, und sie mußte aufgesprengt werden. Ich bekam danach Medikamente, die ich nicht so gut vertrug, und mittlerweile ist die Dosierung wieder halbiert worden. Ich konnte viel, aber nicht schnell und auch nicht lange laufen, so daß ich meine Kilometer sammelte und einigermaßen fit blieb. Gegen Jahresende hatte ich ein paar Infekte, die mich wieder runtergerissen haben.

Einen Ausblick fürs neue Jahr gibt es zwar, aber der ist etwas nebulös. Wahrscheinlich wird meine Herzklappe wieder schlappmachen, so sagt das die Statistik. Dann wird kein Aufsprengen mehr möglich sein, höchstens noch einmal, und danach wird die Klappe ausgetauscht werden müssen. Das ghet aber wohl ohne Öffnung des Brustkorbs, und dafür wäre ich doch sehr dankbar :) Wenn es kommt, dann wohl im April oder Mai.

Aus der Herzklappensache fällt es mir schwer, sportliche Ziele zu formulieren. Den Marathon unter 4 Stunden würde ich gern schaffen, ich würde gern wieder mindestens 2000 km erlaufen (gern auch mehr), ich würde gern etwas schneller werden. Mein Bruder hat mir vor zwei Jahren erzählt, daß er den 10er in 41 Minuten gelaufen ist. Ich dachte damals, daß ich das niemals schaffen könnte, aber mittlerweile erscheint es mir erreichbarer. Ja, und ansonsten: gesund bleiben, mich nicht verletzen, weiterhin Spaß am Laufen haben. Dabei kann ich mich auf die tollen Mitläuferinnen und Mitläufer vom Twitterlauftreff verlassen, mit denen das ja richtig nett geworden ist.

Aber das wird sich alles noch zeigen!

Sonntag, 6. November 2011

Eingewöhnung, laufen, lebbegehtweida

Nach zwei Wochen kann ich mittlerweile ein bißchen besser abschätzen, wie es weitergeht. Zunächst einmal: es geht mir ganz prima. Die gefürchteten Probleme nach dem Katheter sind weitestgehend ausgeblieben (ich hatte nur einen etwa handtellergroßen blauen Fleck in der Nähe der Einstichstelle, der sich mittlerweile gelb gefärbt hat), meinen Faden habe ich mir heldenhaft selbst gezogen und damit einen Arzbesuch erspart. Schmerzen hatte ich so gut wie keine. Ein Lob an das Team dieses Mal, das habt Ihr sehr gut hingekriegt!

Beim letzten Post hatte ich noch geschrieben, daß mir nicht ganz klar ist, ob und warum der Ersatz von Marcumar durch Plavix einen Fortschritt darstellt, sind sie doch beides gerinnungshemmende Mittel. Mittlerweile bin ich schlauer geworden: sie wirken auf untrerschiedliche Weise; Marcumar unterdrückt in der Leber die Produktion eines Gerinnungsfaktoren, während Plavix auf die Klumpenbildung der Blutplättchen wirkt. In beiden Fällen wird verhindert, daß sich ungewollt Gerinnsel bilden, aber bei Marcumar ist das Blutungsrisiko höher und man muß sehr genau die Wirkung überprüfen und ggf. die Dosierung anpassen. Bei Plavix geht man davon aus, wenn ich mich an die Dosierungsempfehlung halte, daß die Wirkung da ist - eine Überprüfung ist nicht möglich bzw. nicht vorgesehen. Alles in allem bin ich eine Stufe weiter, was die Medikation angeht.

Apropos Medikation: ich bekam doch einen Betablocker, der die hohen Pulse abschneiden soll, um mein Herz damit zu entlasten. Der Vorteil: es entsteht kein hoher Blutdruck, der bei mir während der Untersuchung unter Stress doch überproportional gestiegen war. Der Nachteil: mir schlafen oft Hände und Beine ein, ich bekomme kalte Hände, ich bin auch öfter müde. Und es ist schwer, sich daran zu gewöhnen. Ich sollte beim Laufen streng nach dem Puls achten und zusehen, daß er nicht über 145 klettert (früher bin ich regelmäßig mit 160 gelaufen, bei Wettkämpfen oft darüber). Das ist nicht so leicht: mein Puls ist an sich ganz regelmäßig, hat aber hin und wieder Ausrutscher nach oben und, seltener, auch nach unten. Das sieht z.B. so aus: 



Wie dem auch sei, ich bin letzte Woche die Staffel des Frankfurter Marathons mitgelaufen. Ich war brav und hielt mich genau daran, was der Arzt mir empfohlen hatte: höchstens die kleine Strecke von 7 km, und der Puls nicht über 145. Letzteres war sehr schwer, denn am Anfang kletterte mein Puls auf über 160, egal, was ich tat. Irgendwann schaltetete ich die Anzeige aus und lief nach Gefühl, und als ich doch wieder nachschaute, hatte sich der im vertretbaren Bereich zwischen 125 und 140 eingependelt. Das lag vermutlich daran, dass ich das Medikament erst seit ein paar Tagen nahm und daher noch nicht richtig eingewöhnt war. Oder auch, darauf hat mich Sven, ein anderer Mit-Läufer, gebracht, könnte es sein, daß ich den Puls eines anderen Läufers neben mir empfangen hätte. Mittlerweile habe ich das nicht allzu oft, und es scheint sich doch einzupendeln.

Um mich etwas besser zu motivieren, habe ich beschlossen, jetzt jeden Tag zu laufen. Nicht zuviel, nicht zu schnell, aber täglich. Mal schauen, wie lang ich das durchhalte, heute hatte ich meinen 6. Tag hintereinander.

Freitag, 21. Oktober 2011

Überstanden! Aber leicht getrübte Aussichten

Geschafft. Heute Nachmittag bin ich aus der Uniklinik zurückgekommen, was ein kleiner Rekord für mich war - so schnell und so komplikationslos ist es bei mir noch nie verlaufen.

Untersucht werden sollte meine Pulmonalklappe mittels Herzkatheter. Anstelle meiner ursprünglichen Pulmonalklappe trage ich dort eine Prothese, die Medtronic Freestyle. Meine Originalklappe sitzt bei mir an der Stelle der Aortenklappe, die defekt und völlig verkalkt war und deshalb ersetzt werden mußte. Der Grund für diese Rochade, eine sog. Ross-Operation, war, daß mir dadurch die lebenslange Einnahme von Marcumar erspart werden sollte. Das hat nicht ganz geklappt, denn nach meiner OP bekam ich Vorhofflimmern, was mich wieder zum Marcumarpatienten machte. Kann man also als Pech betrachten.

Die Ross-Operation ist ein relativ neues und selten angewandtes Verfahren. In den letzten Jahren scheint sich herauszustellen, daß es eine relativ große statistische Wahrscheinlichkeit dafür gibt, daß die eingesetzte Pulmonalprothese wieder verkalkt. Dieser Prozentsatz ist nicht allzu hoch, mir wurden Zahlen zwischen 5 und 15 Prozent genannt, aber offenbar bin ich an der Stelle wieder ein Pechvogel, denn meine Prothese verengt sich wieder.

Es ist anscheinend technisch sehr schwer, die Pulmonalklappe von außen mit dem Ultraschall zu betrachten. Was man durchaus erkennen kann, ist eine erhöhte Flußgeschwindigkeit des Blutes an der Stelle, was indirekt ein Maß für die Verengung der Klappe darstellt, aber Details sind von außen nicht erkennbar. Mit dem Katheter sollte diese Verengung genau vermessen und daraus eventuell zu ergreifende Maßnahmen abgeleitet werden.

Nach etwas terminlichem Hin und Her bin ich also gestern in die Uniklinik, um mich untersuchen zu lassen. Ein Lob an dieser Stelle für das gesamte Klinikpersonal: ausnahmslos wurde ich freundlich behandelt, man ging auf meine Fragen und Zweifel ein, ich traf ausschließlich auf motivierte und, soweit ich das beurteilen kann, kompetente Mitarbeiter. Ich hatte vor etwa fünf Jahren an der gleichen Stelle schon drei Katheteruntersuchungen, und vor allem die zweite war mir sehr unangenehm in Erinnerung geblieben, weil sie sehr schmerzhaft war (die Punktionsnadel hatte offenbar meinen Nerv getroffen) und auch noch Komplikationen in der Folge hatte (ich bekam ein walnußgroßes Hämatom, das mich wochenlang begleitete). Das erzählte ich den behandelnden Ärzten, und sie gaben sich wirklich sehr viel Mühe, das diesmal mit großer Präzision zu erledigen - mit Erfolg, und dafür nochmal vielen Dank.

Ein Katheterlabor sieht ein bißchen aus wie eine Szene aus einer Science-Fiction-Serie. Sehr beeindruckend vor allem die sieben Monitore, die nebeneinander alle möglichen Parameter, EKG-Kurven, Blutdruck- und sonstige Diagramme anzeigen, nebst Darstellung des Röntgenbilds aus zwei verschiedenen Winkeln. Als Laie kann man da nur unscharfe Schatten erkennen, aber für die erfahrenen Ärzte ist es so, als würden sie auf einer Karte navigieren. Ich wurde an der Leiste an zwei Stellen punktiert: zum einen in eine Vene, durch die man über die untere Hohlvene in den rechten Vorhof und von da an in die rechte Kammer führt. Zum anderen in der parallel verlaufenen Arterie, um in die Herzkranzgefäße vorzudringen. Letzteres ist eine indirekte Navigationshilfe: um die Pulmonalklappe zu identifizieren, die gar keinen Schatten wirft, fährt man mit dem Katheter an die Stelle, wo die erste Abzweigung der Herzkranzgefäße ist, und die liegt einen Zentimeter hinter der Klappe.

Es war schon ein komisches Gefühl. Zwar wurde mir gesagt, daß die meisten Menschen das nicht spüren können, aber ich konnte ziemlich genau sagen, wo sich der Katheter gerade bewegte. Es war aber nicht unangenehm, und die Ärzte erklärten mir jeden Schritt, was sie vorhatten und welche Erkenntnis sie gerade gewonnen hatten. Sie fuhren an die Stelle vor und hinter der Klappe und maßen jeweils den herrschenden Druck, um den Unterschied festzustellen. Danach gaben sie mir irgend ein Medikament, um Belastung zu simulieren, mein Herz schlug mit 110 bis 120 Schlägen, und ich hatte wirklich das Gefühl, mich zu verausgaben. Sie erhöhten dann die Dosis ("Herr Harvey ist ja gut trainiert, wir können ein bißchen erhöhen"). Nach einer Weile war ich doch sehr aufgeregt, und ich bekam eine Einheit Morphium verabreicht - DAS war ein tolles Erlebnis! Wie auf Knopfdruck hörte ich auf zu zittern, und nach einem Moment Benommenheit schwebte ich wie ein Buddha über alles. Auf der Konstablerwache, so wurde mir gesagt, zahlen die Junkies dafür ein Vermögen - fand ich nachvollziehbar!

Nach dieser Probe war das Problem erkannt. Meine Pulmonalklappe war tatsächlich ziemlich verengt, so daß die auftretenden Drucke im rechten Herz bei Belastung etwa denen im linken Herz entsprechen - auf Dauer ein gefährlicher Zustand. Es wurde daher auch nicht lange gefackelt: die Klappe wurde mit einem Ballonkatheter aufgesprengt. Dafür mußte ein viel dickerer Katheter eingeführt werden (was ich aber auch nur unwesentlich spürte). Unangenehm war der Vorgang selbst: in dem Moment, als der Ballon aufgepumpt wird, kann kein Blut in die Lunge fließen. Beim ersten Mal war das nicht sehr schlimm, beim zweiten Mal an etwas verschobener Position dann doch: mir wurde ganz schön schwummerig, ich hatte ein sehr unangenehmes Druckgefühl in der Brust, und leichte Panik verbreitete sich in meinem Kopf. Aber das dauerte nur etwa 20 Sekunden, und dann war es vorbei.

Nach der Ballonaktion wurde alles wieder vermessen, und es zeigte sich eine deutliche Besserung, wenn auch keine hundertprozentige. Das Fazit: die Klappe scheint immer noch etwas verengt, es verbleibt ein leicht erhöhter Druck im Ruhezustand, der aber wohl vernachlässigbar ist. Schlimmer ist, daß der Druck unter Belastung wieder ansteigen wird. Daher werde ich einen Betablocker nehmen müssen, der die hohen Pulse abschneiden soll. Ich wurde gefragt, welchen Puls ich normalerweise laufe, und 160 sind zuviel - ich soll bei etwa 145 bleiben. Ich werde also mein Training umstellen müssen, denn durch den Betablocker werde ich meine heutigen Pulse gar nicht erst erreichen (oder, wenn doch, dann entpräche das einem heutigen 200er Puls oder so). Immerhin, laufen darf ich und soll ich auch. Ich erzählte, daß ich nächsten Sonntag die Marathonstaffel mitlaufen wollte, und das wurde mir sogar genehmigt, allerdings: nur die kurze Strecke und mit Maximum 145. Dafür wurde mir die Punktionsstelle sogar genäht, was sonst normalerweise nicht geschehen wäre.

Die Aussichten für die Zukunft sind eher trüb. Erfahrungsgemäß, so sagten sie mir heute, würde diese Aufweitung der Klappe nicht lange halten. Nach einem halben bis einem Jahr muß ich damit rechnen, daß sie sich wieder zuzieht. Danach wird es wohl darauf hinauslaufen, daß die Klappe ersetzt werden muß. Zum Glück geht das ohne Operation, d.h. ohne Öffnung des Brustkorbes. Wie dem auch sei, das ist noch Zukunftmusik, und ich bin froh, daß ich heute relativ beschwerdefrei nach Hause gehen konnte.

Einen positiven Nebeneffekt kann ich vermelden: ich werde das Marcumar, zumindest zeitweise, absetzen dürfen. Stattdessen werde ich Clopidogrel bekommen. Zunächst war ich sehr froh über die gute Nachricht, aber ich merke jetzt, daß ich Vor- und Nachteile nicht genau wiedergeben kann, also verstanden habe. Werde mich nochmal mit meinem Arzt beraten müssen. Auch mit dem neuen Betablocker muß ich vorsichtig umgehen, da ich durch den Sport schon einen ziemlich niedrigen Ruhepuls habe, der dann vielleicht in gefährliche Regionen käme - es folgt also eine Zeit vermehrter Kontrollen und Messungen.

Freitag, 14. Oktober 2011

Es bleibt alles anders

Heute morgen war ich in der Uniklinik zur Voruntersuchung für die Herzkatheteruntersuchung, die morgen stattfinden sollte. Bei der Voruntersuchung werden alle Parameter überprüft, die der Arzt bei dem Eingriff braucht: es wird ein EKG gemacht, der Blutgerinnungswert wird getestet (als Marcumarpatient würde man zu stark bluten, weswegen die Einnahme ausgesetzt werden muß; der Gerinnungswert muß vor dem Katheteringriff ausreichend normalisiert sein), alle möglichen sonstigen Blutwerte werden gecheckt. Dann folgt eine allgemeine Untersuchung, die Patientenaufklärung - alles schon gehabt und bekannt, weshalb ich das alles mit einer gewissen Routine über mich ergehen ließ.

Dann gab es aber doch eine kleine überraschende Wendung: der verantwortliche Oberarzt klärte mich über die Untersuchung auf, es soll an meiner Pulmonalklappe, die ja durch eine biologische Prothese ersezt wurde, der herrschende Druckabfall gemessen werden, wodurch die vermutete Verengung bestätigt oder widerlegt werden soll. Dabei stellt sich gleich die Frage der Reaktion auf entdeckte Probleme. Eine Korrektur mittels Katheter liegt auf der Hand - wenn man schon dabei ist.

Möglich sind vie Szenarios: erstens, die Klappe wird vermessen und für korrekt befunden. Zwar ist das anhand der bisher vorliegenden Untersuchungsergebnisse nicht sehr wahrscheinlich, aber doch möglich. Zweitens, die Klappe weist zwar eine Verengung auf, die erscheint aber tolerierbar. Drittens kann die Klappe so verengt sein, daß sie einer Korrektur bedarf. Dann könnte sie gesprengt, d.h. mittels Ballondilatation aufgeweitet werden. Viertens kann die Klappe so defekt sein, daß sie ersetzt werden müßte. Auch das geht mittlerweile mit dem Katheter, habe ich heute gelernt: man fährt eine zusammengefaltete Herzklappe mit dem Katheter bis an die alte, defekte Klappe und faltet sie mit einem Ballon auseinander, wobei sie die alte ersetzt. Wie sie da befestigt wird, ist mir noch schleierhaft, aber das funktioniert wohl gut.

Das war auch der Haken heute: für die Möglichkeiten drei und vier braucht man einen erfahrenen Arzt, der diese Eingriffe beherrscht. Der betreffende Kollege war aber im Urlaub und wird erst nächste Woche wieder da sein. Die Frage war, ob wir morgen die Untersuchung durchführen sollten im Vertrauen darauf, daß es eine der beiden ersten wird. Blöd nur, wenn es doch drei oder vier wird, dann müßte ich nochmal kommen, wenn der Kollege wieder da ist. Die Terminvergabe im Vorfeld war also, gelinde gesagt, suboptimal.

Lange Rede, kurzer Sinn: wir einigten uns darauf, die Untersuchung auf nächste Woche zu verschieben. Dann ist der Klappenspezialist da, und wenn etwas gemacht werden sollte, dann ist er zur Stelle und kann seines Amtes walten. Wenn nicht (und ich hoffe noch immer, daß es dabei bleibt), dann hat er nichts zu tun, und alle sind happy. Wenn ich aber ganz ehrlich bin: die Terminverschiebung zeigt mir doch deutlich, daß die Möglichkeiten drei und vier durchaus real sind, und das macht mich ein kleinwenig nervös.

Für die Untersuchung mußte ich das Marcumar absetzen, was immer ein paar Tage braucht, bis sich der Gerinnungswert einpendelt. Jetzt muß ich eine ganze Woche überbrücken und bekam dafür von der Uniklinik Heparinspritzen spendiert. Die Stationsschwester gab sie mir mit großem Bedauern und dem Kommentar: Tausend Euro! Ab morgen muß ich mir dann jeden Morgen eine Spritze in den Bauch jagen. Aber ich beschwere mich nicht: durch die Terminverschiebung kann ich am Sonntag den Mainuferlauf mitlaufen!

Montag, 3. Oktober 2011

Köln: Mein dritter Marathon

Da war er also, der große Tag. Ich bin gestern meinen dritten Marathon in Köln gelaufen. Ich bin schon am Samstag angereist, meine Freundin Nicola kam extra dazu, um mich anzufeuern und Support auf der Strecke zu geben - vielen, vielen Dank dafür! Wir trafen auch etliche Läufer aus dem Twitterlauftreff, das sich zu einer recht aktiven und austauschfreudigen Gruppe entwickelt hat. Die meisten habe ich erst in Köln kennengelernt, wobei ich ein paar schon lange aus Twitter bzw. Blogs "kannte", andere mir überhaupt nicht bekannt waren. Heiko Bartlog wollte vor seinem Marathonlauf am 30.10. in Frankfurt noch den Kölner in lockerem Tempo als Trainingslauf angehen und bot sich an, mich zu begleiten - was ich sehr gern annahm! Das Gleiche tat übrigens Martin fürs Monsterliesel Eva, die in Köln ihren ersten Marathon laufen wollte. Ich habe mich sehr gefreut, Martin wieder zu sehen, wir waren zusammen in Mainz gelaufen - nun ja, zusammen, er kam sagen wir mal nur unwesentlich vor mir an :)

Ich war sehr verunsichert nach dem Kardiologengespräch und wollte mir bis zur letzten Stunde vorbehalten, doch nicht zu starten. Innerlich war ich zwar entschlossen, aber ich hatte einen ziemlichen Bammel und wußte nicht, ob ich nicht doch einen Riesenfehler machte. Zuletzt ließ ich mich von der Vorfreude der Mitlaufenden begeistern, und meine Stimmung wurde besser. Ich war ja gut vorbereitet, hatte Carboloading bis zum Exzeß betrieben und war überhaupt gut drauf. Lediglich die Hitze machte mir Sorgen, denn schon am Samstag war es ohne Laufen ganz schön drückend.

Am Morgen trafen wir uns vor dem Lauf am Tanzbrunnen unweit des Startbereichs. Eine muntere Truppe, wie man sieht:

Der #twitterlauftreff: @Schliefkowitz, @bartlog, meine Wenigkeit, @pixxelschubser, @Monsterliesel, @Laufmeister, Martin und @Zickline
Andere Mitläufer konnten nicht zum Treffpunkt kommen, so etwa @Nordwork, @BloodySocks1982, @hr_markus, @Vizekoenigin, @blabbermaul... und wenn ich hier jemanden vergesse: es sei mir verziehen :)

Wir liefen langsam Richtung Startbereich, wobei wir uns verstreuten, denn jeder hatte einen Startblock zugewiesen bekommen, der nach sich nach einer nachweisbaren Marathonzeit richtete, bzw. für die Ersttäter einen weiteren. Es war sehr voll, und schon im Gedränge vor dem Start konnte man erahnen, daß es sehr heiß werden würde. Ich hatte einen Trinkrucksack mit, aber der Kopf brannte shon trotz meiner Mütze. Ich nahm mir vor, beim ersten Verpflegungsstand mir Wasser über den Kopf zu schütten, und das hielt ich dann so an nahezu jedem Stand. Das habe ich auch gebraucht.

Als es endlich losging, war es ein unangenehmes Gedränge. Ich hatte viel Mühe, mein Tempo zu halten, weil ständig Leute vor mir waren, die keine oder nur kleine Lücken freiließen, so daß ich einen ziemlichen Slalomlauf hinlegen mußte. Das Tempo, das muß ich gleich einräumen, war eindeutig zu hoch gewählt, und der Slalom forderte mir einiges an Kraft ab. Die ersten 10 Kilometer schafften wir in 53:25 Minuten, und bis dahin hatten wir recht viel Schatten gehabt, so daß es sich gut anfühlte. Danach kam schon mehr Sonne, die Hitze machte sich bemerkbar, und wir kamen bei der Halbmarathonmarke bei 1:55:42 vorbei. Es lief noch ganz gut, aber erstens war ich schon langsamer geworden und zweitens merkte ich, daß ich nicht würde beschleunigen können.
Bei km 19 sah ich noch recht frisch aus
Mittlerweile war die Hitze ein ernsthaftes Problem, ich trank nicht nur aus meinem Rucksack, sondern auch an den Verpflegungsstellen, und ich kippte mir immer gleich mehrere Becker über Kopf und Brust. Dabei merkte ich, daß das nicht nur gut tat, die plötzliche Kälte brachte ein unangenehmes Ziehen in der Brust mit sich - das war nicht allzu schlimm, aber doch ein Alarmzeichen. Ich wurde langsamer, und als ich etwa bei km 27 auf die Uhr schaute, zeigte sie mir ein Tempo von 5:57 min/km. Deutlich zu langsam, und doch deutlich spürbar, daß ich nicht schneller laufen sollte, wenn ich noch ankommen wollte. Ich hatte bei km 21 ein Gel zu mir genommen, was mich Kraft gekostet hatte, weil ich dazu den Rucksack abbnehmen mußte (ich kam ums Verrecken nicht an die Tasche mit meinen kurzen Armen). Heiko bot mir beim nächsten Gel Hilfe an, und das war sehr viel besser - ich lief einfach, und plötzlich hatte ich mein Gel in der Hand. Besseren Support gibt es nicht!

Mein Gehirn hatte wohl schon wenig Sauerstoff, denn Heiko mußte mir die Dinge ein paarmal sagen, bevor ich sie verstand. Mittlerweile war ich nur noch mit meinem Körper beschäftigt: mein Magen beschwerte sich wohl gegen die Gels, die halbe Banane, die ich unterwegs gegessen hatte, das viele kalte Wasser, das etwas eklige warme aus meinem Trinkrucksack. Mein Ziehen in der Brust wurde jedesmal deutlicher, wenn ich das Tempo anzog, so daß ich es gar nicht mehr versuchte. Dazu kam eine Blase, die ich wohl wegen des vielen Wassers im kleinen Zeh bekam (ich ließ mich gern vollspritzen, sobald sich eine Gelegenheit dazu ergab). Vielen Dank an Heiko wieder, der mich noch fragte, ob er mich treten oder langsam weiterlaufen lassen sollte. Ich entschied mich für letzteres (ich konnte gar nicht anders!) So betrachtet sah ich bei km 31 gar nich so schlecht aus, als mich Heiko fotografierte (und gleich live twitterte!).

Live-Berichterstattung vom Feinsten: @bartlog hatte zwar Mühe beim Eintippen, aber er lud das Bild hoch!
 Kurz danach bekam ich einen Krampf im rechten Oberschenkel. Etwas Dehnen, etwas gehen, kurz noch überlegt, auszusteigen, aber ich lief dann doch weiter. Dazu kam, daß ich mir durchs viele Schwitzen ein paar Wölfe gelaufen hatte.

Die letzten 7 Kilometer wollte Heiko wie abgemacht beschleunigen, wir verabschiedeten uns kurz, und er marschierte los. Ich lief in dem Tempo weiter, bekam wieder Krämpfe, legte mehrere Gehpausen ein, aber es war noch nicht so, daß ich aufgeben mußte. Bei Kilometer 38 lief Nicola ein paar Meter neben mir und fragte mich recht besorgt, wie es mir ging, da muß ich wohl nicht besonders gut ausgesehen haben:

Hier werde ich gefragt, ob ich noch laufen will. Ich wollte!
 Danach kam eine kurze Teilstrecke durch die Innenstadt, bei der ich die Organisatoren verflucht habe: unregelmäßiger Kopfsteinpflaster auf den letzten Kilometern! Andere sahen es offenbar genauso, denn sie wichen auf den Bürgersteig aus, soweit möglich. Irgendwann kam ich bei km 40, dann 41, kurz vor der Brücke. Hier war die Stimmung ganz verhalten, jeder lief verbissen für sich, ich mußte bei der Steigung sogar gehen. Aber oben auf der Brücke wehte ein bißchen frischer Wind, und ich konnte wieder Gas geben. Am unteren Brückenfuß war eine Markierung auf dem Boden: nur noch 500 Meter. Ich beschleunigte ein bißchen, konnte eine Läuferin überholen (eine Staffelläuferin! Das mochte mein Ego doch sehr), dann noch ein paar andere. 400 Meter, 300 Meter, 200... die letzten hundert Meter waren hart, aber dann, ja, da war sie, die rettende Matte! Ich passierte sie bei 4:12:01 und war überglücklich, es geschafft zu haben. Trotz allem kann ich zufrieden sein, denn das ist doch eine Verbesserung gegenüber dem Mainzer Marathon um fast 12 Minuten und damit neue PB.

Ein glücklicher Finisher. Glücklich vor allem darüber, daß es vorbei war :)

Die Analyse ist klar: für die Hitze konnte ich nichts, für das zu schnelle Anfangstempo schon. Ich habe mich eindeutig überschätzt. Aller Euphorie zum Trotz darf ich mich nicht überfordern und mein Leistungsvermögen realistischer einschätzen. Die Aufzeichnung durch den Forerunner zeigt auch klar, wie ich die  Einbrüche hatte. Zusätzlich hatte ich versuchsweise eine Liveübertragung mit Endomondo gestartet, aber die Handybatterie hielt nur bis etwa zur Hälfte.

Nach einer erholsamen Nacht mit tiefem Schlaf und einem schönen, genauso erholsamen Tag mit Herumlungern am Main bin ich ziemlich gut wiederhergestellt. Alles in allem tut mir nichts weh, wenn ich den erlaufenen Wolf ausklammere. Wenn ich den nächsten Marathon ein bißchen cleverer angehe, werde ich das Glück auch während des Laufs erleben dürfen!


Eine Anmerkung: die Fotos hier habe ich schamlos von den jeweiligen Fotografen geklaut. Bitte um einen kleinen Hinweis, wenn jemand was dagegen hat, dann nehme ich sie sofort wieder offline!

Donnerstag, 29. September 2011

Da stehe ich nun, ich armer Tor...

Ich war gestern beim Kardiologen, um die weitere Vorgehensweise zu besprechen. Mein Anliegen war zu klären, inwieweit mein Zustand einen Kathetereingriff notwendig macht, und ob es nicht weniger invasive Methoden gibt, die mir vergleichbare Resultate liefern können - auf der einen Seite. Auf der anderen Seite wollte ich seine Meinung über meinen Zustand allgemein erfahren (es stand die Frage nach einer neuen OP im Raum) und speziell im Hinblick auf den Marathon am Sonntag.

Ich traf auf einen sehr sympathischen, kompetent wirkenden Arzt, der sich Zeit für mich nahm, der nachfragte, der zuhörte, der mir Dinge erklärte, wenn ich etwas nicht gleich verstand. Das Gespräch tat mir außerordentlich gut, denn ich fühlte mich nicht abgefertigt und wurde ernst genommen. Schon allein deshalb war der Arztbesuch ein Erfolg.

Die Beurteilung meines körperlichen Zustands aus kardiologischer Sicht war keine große Überraschung, Der gemessene Gradient an meiner Pulmonalklappe ist da, und das ist etwas, das man ernst nehmen und genau beobachten muß. Andererseits ist er, wenn die Klappenverengung nicht weiter fortschreitet, nicht bedrohlich, und ich muß nicht unmittelbar mit größeren Problemen rechnen. Das klang schon mal sehr positiv, war mir aber wie gesagt nicht neu, denn so oder so ähnlich hatten die Befunde der untersuchenden Ärzte geklungen - bis auf den einen, meinen Kardiologen, der mich im April so aufgescheucht hatte.

Der Arzt lieferte mir auch eine nachvollziehbare Erklärung für die Notwendigkeit der Katheteruntersuchung. Die Pulmonalklappe, um die es hier geht, ist im Ultraschall generell sehr schwer einzusehen, weil sie von außen betrachtet etwas versteckt liegt. Die Messungen sind also ungenau; man kann zwar erkennen, dass da etwas ist, man kann es aber nicht verläßlich bemessen. Dazu kommt, daß meine Trikuspidalklappe ein kleine Insuffizienz aufweist; auch die ist nicht neu, scheint sich aber jetzt verstärkt zu haben. Für sich genommen ist sie völlig unbedeutend, denn der Vorhof kann mit einer kleinen Klappenundichtigkeit mühelos umgehen, aber sie könnte ein Hinweis darauf sein, daß der Druck in der Kammer gestiegen ist, was wiederum ein weiteres Indiz für die verengte Pulmonalklappe wäre. Gewißheit könnte man nur durch die Katheteruntersuchung bekommen, und die sei dann sehr genau. Er beruhigte mich auch hinsichtlich des Risikos der Untersuchung: da das Rechtsherz betroffen sei, bei dem der herrschende Druck vergleichsweise niedrig ist, seien kaum Komplikationen zu erwarten: er sprach hier von einem halb-invasiven Verfahren.

Der Wermutstropfen war dann seine klare und unbedingte Absage an den Marathonlauf. Generell sollte ich mit einer Herzerkrankung, speziell mit dieser, keinen Marathon absolvieren. Als ich ihm sagte, daß ich schon zwei hinter mir hatte, war er schockiert. Keine belastenden Tätigkeiten, die man nicht regelmäßig ausübt, das sei seine goldene Regel, und auch wenn das im Gespräch ein wenig relativiert wurde, da ich regelmäßig trainiere, war seine Ansage klar und deutlich: nicht laufen.

Diesen Punkt haben wir ganz am Anfang besprochen, noch bevor er meinen Befund durchgelesen hatte. Die Empfehlung basierte nicht auf Erkenntnisse aus dem vorliegenden Bericht, sondern war Ausdruck seiner generelle Haltung dieser Art von Sport gegenüber. Das ist mir klar, und andere Ärzte würden darüber anders denken, wie ich ja an meinem Hausarzt und dem untersuchenden Arzt aus der Uniklinik gesesehen habe. Dennoch stecke ich in das Dilemma, daß ich diesen Arzt für sehr kompetent halte und menschlich mit ihm bestens auskomme, so daß ich seine Meinung in dem Punkt nicht einfach abtun kann.
Ich grüble die ganze Zeit, und momentan tendiere ich dazu, es doch zu tun: seinen guten Rat hier zu ignorieren und in Köln zu starten. Mir ist klar, daß ich ein Risiko begehe, aber das wußte ich schon vorher, und an der Faktenlage hat sich nichts geändert. Und doch ist mir die Leichtigkeit, die ich bis vor ein paar Tage noch hatte, ziemlich vergangen. Ich werde starten (wenn ich das tue), aber mit einem sehr angespannten Gefühl in der Magengegend.

Sonntag, 25. September 2011

Meine Marathonvorbereitung in Zahlen

Läufer sind Zahlenfetischisten. Zumindest dieser hier kann sich viel besser motivieren, wenn er handfeste, nachprüfbare Fakten in sein Tagebuch eintragen kann. Die Auswertung ist dann schon Teil der Belohnung.

Für meinen Marathon suchte ich mir einen Trainingsplan von Klemmbrett Karraß aus der Achim-Achilles-Webseite aus: Marathon unter 4 Stunden. Mittlerweile habe ich gelernt, daß es viele verschiedene Pläne gibt, mit jeweils unterschiedlichem Hintergrund und Philosophie, und daß sie mitunter ganz unterschiedlich ausfallen. Ich entschied mich für diesen aus rein pragmatischen Gründen: ich hatte schon mal damit gute Erfahrungen gemacht, er war kostenlos, und er schien mir durchführbar. Mein Gedanke war: Hauptsache ein Plan. Ich brauchte eine unabhängige Instanz, die mich auch dann zum Laufen motivierte, wenn ich keine Lust hatte. Hat funktioniert, und an dieser Stelle bedanke ich mich schon mal bei Jens Karraß für die geleistete Hilfe!

Die Zahlen: wenn ich am kommenden Sonnstag den Marathon laufe, werde ich 14 Wochen trainiert haben. Ja, der Plan ging nur 12 Wochen, aber aus einer Unsicherheit heraus begann ich zwei Wochen früher und hatte so eine kleine Verfügungsmasse, um mich an die strengen Regeln des Plans zu gewöhnen.

In dieser Zeit war ich 48 Mal laufen (bis zum Ende werden es 51 sein). Durchschnittlich viermal pro Woche, manchmal nur drei, gegen Ende auch fünf. Dabei verbrachte ich 66:36 Stunden auf den Beinen und legte 692 Kilometer zurück. Dabei verbrannte ich 53.924 kcal. Diese letzte Zahl ist nur ein Schätzwert, den die Sportuhr anhand der eingegebenen Parametern ausrechnet, aber in dieser Zeit habe ich 5 Kilo abgenommen. Wenn ich bis in den Januar zurückblicke, dann habe ich seitdem über 1.500 km zurückgelegt und etwa 10 Kilo abgenommen.

In dieser Zeit habe ich unterstützend ein paar Dinge getan, die ich sonst nicht tat: erstens, ich war zweimal wöchentlich im Fitnesstudio und habe an meiner Rücken- und Bauchmuskulatur gearbeitet. Zweitens habe ich wesentlich mehr gedehnt, und auch wenn ich immer noch steif wie ein Stock bin, bin ich wenigstens ein etwas flexiblerer Stock geworden :) Drittens habe ich das 100-Pushups-Programm einigermaßen durchgezogen (ich habe es nicht ganz geschafft, aber ich habe auch noch nicht aufgegeben!), ich stecke noch in der 5. Woche fest. Jedenfalls bin ich jetzt in der Lage, aus dem Stand 50 Liegestütz zu machen - so viele wie noch nie.

Viertens habe ich in den letzten Wochen eine strenge Low-Carb-Diät durchgezogen mit dem Ziel, das Carboloading vor dem Marathon noch besser zu unterstützen. Die Idee ist, sowenig Kohlenhydrate wie möglich zu sich zu nehmen, auch und gerade vor den langen Läufen. Dabei gewöhnt man den Körper daran, effektiver mit den Glykogenspeichern umzugehen. Wenn man dann vor dem Wettkampf diese auffüllt (auf die vielen Nudeln freue ich mich jetzt schon!), dann werden sie erstens noch voller, und zweitens kann der Organismus noch viel mehr Nutzen daraus ziehen. Es ist ein Versuch, und ich kann es natürlich nicht messen, aber ich bilde mir ein, beim Koberstädter Halbmarathon davon profitiert zu haben.

Stichwort Wettkämpfe: während dieser Vorbereitung habe ich meine Persönliche Bestzeit sowohl für die 10 Kilometer (von 50 auf 48 Minuten) als auch für den Halbmarathon (von 1:50 h auf 1:45, wobei hier die Strecke ein wenig kürzer war, so daß ich realistischerweise 1:46:30 angeben müßte). Die 5 km bin ich noch nicht gelaufen, der Marathon ist am Sonntag. Das Ziel, den Marathon unter 4 Stunden zu finishen, werde ich wohl ziemlich sicher erreichen. Jetzt will ich sehen, wie weit ich darunter komme, wobei ich in erster Linie heil und glücklich ankommen möchte.

Alles in allem bin ich gut vorbereitet, ich hatte auch Glück, während dieser Zeit nicht ernsthaft krankgeworden zu sein; auch habe ich mich nicht verletzt. Und auch wenn ich jetzt langsam ein bbißchen nervös werde, muß ich sagen: ich freue mich auf Sonntag!

Dienstag, 20. September 2011

Hü und Hott, und Hott und Hü, weils so schön ist...

Mein letzter Post enthielt noch den einschränkenden Halbsatz, daß mir das positive Untersuchungsergebnis noch nicht vorlag. Eine ziemliche Ernüchterung stellte sich ein, als der Befund dann per Post nach Hause kam. Zwar waren die aufgenommenen Fakten schon so, wie mir der untersuchende Arzt das mitgeteilt hatte. Der unterzeichnende Oberarzt beurteilte die Lage aber ein wenig anders; die Verengung der Klappenprothese einerseits und eine vorhandene, schon bereits mehrfach begutachtete und für harmlos befundene Insuffizienz der Trikuspidalklappe andererseits erforderten eine Untersuchung per Herzkatheter, um fundierte Angaben zur körperlichen Belastbarkeit machen zu können.

Das war für mich mal wieder ein Dämpfer. Eine Katheteruntersuchung ist kein Spaß, sie ist eine ernste Angelegenheit, die schon für sich ein gewisses Risiko birgt. Ich habe nicht direkt Angst davor, ich hatte schon derer vier: die erste führte direkt zur Herzklappen-OP, ich durfte das Krankenhaus nicht mehr verlassen. Die Untersuchung selbst verlief reibungslos, und die Diagnose waar schnell gestellt (meine Aortenklappe war komplett verkalkt, so daß sie nur zu 20% ihrer ursprünglichen Größe verengt war), aber ein paar Stunden nach dem Eingriff kollabierte mein Kreislauf, als mir der Pfleger den Zugang an der Leiste entfernte und einen Druckverband anlegte. Ich erinnere mich an die Panik in seinen Augen, während er verschiedenes versuchte, um mich wieder aufzupäppeln, und an die plötzliche Ruhe meiner ansonsten sehr geschwätzigen Zimmergenossen. Die drei weiteren waren streng genommen keine Untersuchungen, sondern korrigierende Eingriffe, sogenannte Elektrophysiologische Untersuchungen, bei denen das Gewebe an der Herzwand durch Erhitzen verödet wird, um Herzryhthmusstörungen zu beseitigen. Diese drei waren sehr unangenehm, zum Teil ziemlich schmerzhaft; die längste dauerte über 5 Stunden, die letzte wurde nach etwa zwei Stunden ergebnislos abgebrochen.

Wie gesagt, es ist nicht so, daß ich Angst vor dem Katheter gehabt hätte. Respekt und eine gehörige Portion Unwille aber schon. Trotzdem ließ ich mich darauf ein, um ein klares Untersuchungsergebnis herbeizuführen. Ich machte also einen Termin für nächsten Freitag aus. Dafür brauchte ich noch eine Klinikeinweisung von meinem Hausarzt und bat dafür nochmal um ein Gespräch. Parallel dazu hatte meine Kollegin Daniela mir von anderen Untersuchungsmethoden erzählt (namentlich die MRT, die ich schon einmal hatte über mich ergehen lassen müssen), und mich dazu an einen fachkundigen Arzt verwiesen, der mich wiederum zu einem Kardiologen in Bad Homburg weiterbat. Den Kardiologen habe ich noch nicht gesprochen, ich bekam einen Termin erst für nächste Woche, aber das Gespräch mit meinem Hausarzt verlief doch sehr beruhigend. Er konnte aus den gemessenen Werten keine unmittelbare Notwendigkeit für einen Katheter ablesen und meinte, vielleicht sollte ich im nächsten halben Jahr darüber nachdenken, aber doch nicht jetzt und schon gar nicht eine Woche vor dem Marathon.

Auch er tat sich schwer, mir eine klare Empfehlung auszusprechen. Natürlich ist klar, daß ich nicht komplett gesund bin, und anscheinend möchte niemand als derjenige dastehen, der mir einen Marathonlauf empfohlen hat, wenn ich dabei zusammenbreche. Andererseits, so gab er mir zu verstehen, sei mein Zustand eben nicht dramatisch verschlechtert und allgemein gesehen auch nicht schlecht. Ich habe also den Termin für die Katheteruntersuchung abgesagt und werde mich am 27. nochmal mit dem Kardiologen besprechen - 5 Tage vor dem Lauf. Die Spannung steigt!

Dienstag, 30. August 2011

Deutliche Verbesserung der Nachrichtenlage!

Nach meinem letzten Kardiologenbesuch im April war ich ziemlich niedergeschlagen. Das hatte mehrere Ursachen: zum einen war das ziemlich überraschend gewesen, denn ich fühlte mich nicht schlecht, im Gegenteil: ich war recht fit und entwickelte mich sportlich weiter. Der lapidare Marathonverbot war schon für sich ein Schlag, den ich verdauen mußte, schließlich hatte ich mir dieses Ziel für 2011 vorgenommen. Zum anderen war die Diagnose an sich schon beunruhigend, denn sie bedeutete eine weitere Herz-OP mit allen Implikationen. Ich hatte schon schwer mit der ersten zu kämpfen gehabt, und die Aussicht, daß es diesmal schlimmer sein würde, war schon sehr entmutigend. Zudem war es eine ziemlich plötzliche Verschlechterung, was bedeutete, daß die Zeit ein wenig drängte.

Ich spielte in Gedanken einige Optionen durch, vom völligen Ignorieren der Lage über die vorsichtige sportliche Aktivität zur Vorbereitung auf die anstehende OP bis hin zum Kardiologenwechsel. Zunächst hatte ich ein Einsehen und versuchte mich vom Kölner Marathon abzumelden, zu dem ich mich unglücklicherweise ein paar Wochen vor der Untersuchnung angemeldet hatte. Das klappte aber nicht, denn die Orga hatte eine kostenpflichtige Rücktrittsversicherung angeboten, die ich aber nicht mitbestellt hatte: ich fühlte mich ja fit genug. Das hieße also, bei Nichtteilnahme die 70 Euro abzuschreiben.

Das gab mir den Anstoß: ich wollte anfangen, für den Marathon zu trainieren. Das wäre schon etwas verrückt, wenn ich denn tatsächlich so krank gewesen wäre, also mußte ich mich davor eingehend untersuchen lassen. Ich wußte auch schon wo: die Uniklinik, bei der ich 2005 operiert worden war, hatte ja alle meine Daten. Auch ein paar Nachuntersuchungen hatten dort stattgefunden, die letzte sogar 2010, und zwar mit einem sehr positiven Befund. Wenn es also eine solch dramatische Verschlechterung gegeben hatte, dann würde sie in einer neuen Untersuchung ebenfalls zutage treten, und ich wüßte Bescheid. Aber meine Hoffnung war natürlich, daß die Sorgen zerstreut werden würden.

Das klingt schon etwas verrückt: der Arzt verbietet dir den Marathon, also wechselst du den Arzt. Aber es war ja nicht nur der Sport, der hier in Frage gestellt war, sondern vor allem meine nähere Zukunft, die womöglich ganz anders als geplant verlaufen würde: OP, Rehaklinik, Umzug (ich wohne im vierten Stock eines Altbaus ohne Fahrstuhl). Ich mußte einfach klären, ob es diese große Verschlechterung wirklich gab, oder ob es eine Frage der Einschätzung seitens des Arztes war, d.h. er sah die gleichen Daten, wertete sie aber anders als sein Vorgänger, von dem er die Praxis übernommen hatte.

Bei der Uniklinik bekam ich einen Termin relativ spät, und der war gestern. Bis dahin trainierte ich für den Marathon mit dem besonderen Augenmerk darauf, mich nicht zu überanstrengen. Es bestand ja durchaus die Möglichkeit, daß ich mich in Gefahr brachte. Ich machte auch ein paar Wettkämpfe mit, wobei ich immer mein Handy dabeihatte und einen Zettel mit Notfallnummern und Hinweise für eventuelle Rettungssanitäter mitführte. Es passierte aber nichts.

Warum auch! Die Untersuchung gestern ergab, daß ich mit meinem Körpergefühl gar nicht so falsch lag. Meine Klappenverengung ist unstreitig da, aber das war schon letztes Jahr so gewesen, ohne daß es eine Gefahr bedeutet hätte. Ich habe den untersuchenden Ärzten mein Anliegen erklärt, daß ich den Unterschied zwischen dem Vorjahresbefund und dem von diesem Jahr überprüfen lassen wollte. Von ihnen wurde ich sehr gewissenhaft untersucht, denn es ist auch klar, dass kein Arzt gerne eine Freigabe für den Marathonlauf abgibt, wenn sein Kollege zuvor ein kategorisches Verbot ausgesprochen hat (auch im Hinblick auf juristische Implikationen, wenn es schiefgeht und der Patient zusammenbricht). Das Ergebnis aber war sehr beruhigend: mein Herz funktioniert den Umständen entsprechend sehr gut, es reagiert auch auf Belastung ohne Probleme, und die fragliche Klappenverengung ist nicht weiter vorangeschritten.

Noch habe ich den Bericht nicht schriftlich, weil der verantwortliche Arzt sich erst mit Kollegen besprechen wollte, evtl. auch Rücksprache mit meinem Kardiologen halten möchte, sich in Ruhe alle gespeicherten Daten aus meinen vorherigen Untersuchungen durchlesen wird (und vielleicht auch rechtlichen Rat einholen, warum auch nicht). Aber sein mündlicher Rat war sehr ermunternd: ich darf einfach weitermachen wie bisher, ich soll ruhig auch den Marathon im Oktober laufen - aus seiner medizinischen Sicht spricht nichts dagegen.

Mir fiel buchstäblich ein Stein vom Herzen. Ich bin froh, daß ich so ein Dickkopf bin! Und gleichzeitig bin ich ziemlich sauer auf meinen Kardiologen. Beim Smalltalk bei der Untersuchung hatte er mir nebenbei erzählt, er hätte mit der übernommenen Praxis zuviele Patienten, was wegen der Gesundheitsreform viel Arbeit, aber kaum Einnahmen bringt.

Es wird ihn sicher freuen, daß er jetzt einen Patienten weniger haben wird.

Mittwoch, 20. April 2011

Schlechte Nachrichten - Kardiologenbesuch

Ich war heute nach etwas längerer Zeit beim Kardiologen (ich hatte terminlich-organisatorische Probleme, sprich habe einen Termin verpennt und bekamm erst später einen Ersatztermin).

Mein Belastungs-EKG verlief wie gewohnt, ich schaffte die 200 Watt, und bei 225 stieg ich freiwillig vom Rad. Überraschend war das nicht, denn ich war ja schon den Feldberg hochgekommen. Naja, schön war das auch nicht - 10 Minuten strampeln, das klingt harmlos, ist aber wirklich schweisstreibend!
Auch mein Ruhepuls (52) und mein Blutdruck (110/80) waren in bester Ordnung. Lediglich das Abhören brachte ein kleines Stirnrunzeln beim Kardiologen hervor, da war ein Geräusch, das dort nicht hingehört.

Beim Echokardiogramm wurde die Ursache klarer: meine Pulmonalklappe, d.h. die Klappenprothese, ist verengt, und zwar so sehr, dass das Blut an dieser Stelle etwas schneller fliessen muss. Diese Strömung kann man hören.

Ich hatte das schon mal gehabt: 2008 wurde das zum ersten Mal festgestellt, aber damals hiess es, die Verengung sei erstens normal, d.h. sie tritt oft auf bei Ross-Patienten, und zweitens nicht so schlimm. Ich war damals zunächst beunruhigt und dann wieder beruhigt. Alles OK, solange die Verengung nicht weiter fortschreitet.

Jetzt scheint es so zu sein, dass genau das passiert: die Klappe verengt sich weiter. Der Druckgradient lag vor einem Jahr bei 30 mmHg, heute bei 33 - das ist eine Zunahme von 10%. Ich mag das nicht in die Zukunft extrapolieren, zumal ich gelernt habe, dass eine solche Verengung nicht linear stattfindet, sondern sich immer weiter beschleunigt, aber das Bild ist deutlich. Der Kardiologe meinte, es sei jetzt nicht so gravierend, dass man einschreiten müsse, aber wenn es auf 40 oder 45 klettert, müsse man über erneuten Ersatz der Klappe oder Sprengung nachdenken.
Sprengung klingt spannend: da fährt man mit einem Ballonkatheter bis an die dichte Stelle und bläst ihn schlagartig auf, so dass die Klappe wieder frei wird. Und doch: keine schöne Vorstellung.

Mein Arzt ("Ich bin aus Hamburg, wir sagen da gern, wie es ist") meinte, eine Reoperation sei schwerer als die ursprüngliche. Wenn, dann sollte ich nach Lübeck fahren, das sei die einzige Klinik, die sich darauf spezialisiert habe. Aber noch ist es nicht soweit: ich werde es im Dezember erfahren.

Sein Statement bezüglich des Marathonlaufs war eindeutig: nein. Ein Halbmarathon sei noch vertretbar, aber ein Marathon sie einfach eine zu hohe Belastung dafür.

Donnerstag, 7. April 2011

Pennerleben

Es war Ende Oktober, als es schon kalt war, mir aber ganz bewußt war, daß der Winter immer noch vor mir lag. Die Perspektive eines noch kälteren, noch schlechteren Wetters über längere Zeit drückte mir schwer aufs Gemüt. Dazu die Trennung, die neue leere Wohnung, die Arbeitslosigkeit, die ganze unbequeme Situation. Ich kämpfte dagegen an, wie ich konnte: ich ging viel laufen, ich versuchte mich abzulenken.

Eines Abends ging ich mit meinem alten Freund Peter ins Kino. Der Abend war ganz nett, wir unterhielten uns danach angenehm und tranken noch ein Bierchen, aber irgendwann verabschiedete er sich und ging nach Hause - er mußte ja am nächsten Tag früh raus. Ich aber nicht, und der Gedanke, jetzt in meine leere Wohnung zu fahren, schien mir unerträglich. Ich beschloss, noch irgendwas zu trinken zu besorgen - ich hatte ja kein Geld, um irgendwohin zu gehen. Aber im myZeil im Untergeschoss ist ein Rewe-Markt, der bis Mitternacht offen hat, und da konnte ich mich versorgen.

Um die Uhrzeit war die Kundschaft schon etwas speziell: ich erkannte einige, die in gleicher Absicht wie ich dort reingegangen waren, dazu noch Gruppen junger Leute, deren einzige Art zu feiern eben ein Besäufnis zu sein schien, und versprengt den einen oder anderen Büromenschen, der nochmal schnell sein Frühstück für den nächsten Tag holte. Als ich die Wahl hatte, fiel es mir schwer, mich zu entscheiden: was wollte ich eigentlich trinken? Bier hatte ich schon gehabt, Hochprozentiges schien mir dann doch zuviel, und irgendwie konnte ich mir gar nicht vorstellen, mir eine ganze Flasche Wein einzuverleiben. So trüb meine Laune gerade war, endgültig abschiessen wollte ich mich doch nicht, und auch in dieser Situation war mir klar, daß ich keinen Alkohol vertrage. Am Ende fand ich was Passendes: Alcopops! Kleine Flaschen, was die Gefahr einer zu starken Alkoholisierung vorbeugte, und doch irgendwie lecker. Ich entschied mich für eine vorgemixte Pina Colada o.Ä., so genau weiß ich das nicht mehr. Dazu holte ich mir eine Tüte Erdnüsse.

Ich setzte mich auf eine Bank mitten auf der Zeil. Es war kalt, aber das war mir egal, ich genoß es sogar, in dieser Scheißkälte zu sitzen und mir selber leid zu tun, während ich mir das Gehirn wegsoff - nun ja, wenigstens ein bißchen. Die Atmosphäre war irreal, es waren einige Menschen unterwegs, und doch war es sehr still und beinahe abgeschieden. Von meiner Bank aus ergab sich plötzlich ein ganz starkes Bild mit den Gebäuden, den harten Lichtern und der ungewohnten Perspektive. Ich hatte zwar keine Kamera dabei, aber mein Handy machte doch ganz passable Bilder, also machte ich ein paar Fotos. Für ein bestimmtes Motiv stand ich auf, ging ein paar Meter und fotografierte ein bißchen herum. Nicht lange, es werden maximal zwei Minuten gewesen sein.

Als ich zu meinem Platz zurückkehren wollte, erlebte ich eine unliebsame Überraschung: ein Penner hatte sich dahingesetzt und trank gerade gierig aus meiner Flasche, während er die Finger in meine Tüte Erdnüsse grub. Ich konnte es gar nicht fassen, ich war gar nicht so lang weg gewesen!

"Hey!", schrie ich den Penner an, "sag mal, das ist doch nicht deine Flasche?"
Er schaute mich etwas abschätzig an und meinte: "Hab sie zuerst gefunden. Ist auch nicht deine!" Er genehmigte sich gleich einen Schluck, was mir sowieso jede Lust nahm, aus der gleichen Flasche zu trinken.
"Das gibt es nicht. Kann man hier nicht zwei Schritte gehen, ohne auf seine Flasche aufzupassen?" Ich wurde innerlich richtig wütend, aber gleichzeitig resignierte ich. "Weißt du was: behalt sie. Prost, Arschloch!"

Der Penner schien sich nicht davon beeindrucken zu lassen. Er schaute mich nachdenklich an und meinte dann: "Wenn ich dich so ansehe, glaube ich eh nicht, daß es deine Flasche ist. Ich war halt schneller als du!"

Mit einem Mal war ich wieder ganz nüchtern. Dieser Kerl da sah mich als seinesgleichen an! Und er dachte, ich würde da auch herumgammeln und nach Alkoholresten in herrenlosen Flaschen suchen! Plötzlich wollte ich nicht mehr trinken, ich wollte nur noch schnell nach Hause fahren. Ich ließ den Penner mit seiner Beute sitzen und machte mich auf den Weg in die S-Bahn. Was mich traf, das war die Erkenntnis, was ich wohl für ein Bild nach außen abgab.

Damit wollte ich dann doch nichts zu tun haben.