Von der Herzoperation Silvester 2005 zum Marathon Oktober 2007

Freitag, 21. Oktober 2011

Überstanden! Aber leicht getrübte Aussichten

Geschafft. Heute Nachmittag bin ich aus der Uniklinik zurückgekommen, was ein kleiner Rekord für mich war - so schnell und so komplikationslos ist es bei mir noch nie verlaufen.

Untersucht werden sollte meine Pulmonalklappe mittels Herzkatheter. Anstelle meiner ursprünglichen Pulmonalklappe trage ich dort eine Prothese, die Medtronic Freestyle. Meine Originalklappe sitzt bei mir an der Stelle der Aortenklappe, die defekt und völlig verkalkt war und deshalb ersetzt werden mußte. Der Grund für diese Rochade, eine sog. Ross-Operation, war, daß mir dadurch die lebenslange Einnahme von Marcumar erspart werden sollte. Das hat nicht ganz geklappt, denn nach meiner OP bekam ich Vorhofflimmern, was mich wieder zum Marcumarpatienten machte. Kann man also als Pech betrachten.

Die Ross-Operation ist ein relativ neues und selten angewandtes Verfahren. In den letzten Jahren scheint sich herauszustellen, daß es eine relativ große statistische Wahrscheinlichkeit dafür gibt, daß die eingesetzte Pulmonalprothese wieder verkalkt. Dieser Prozentsatz ist nicht allzu hoch, mir wurden Zahlen zwischen 5 und 15 Prozent genannt, aber offenbar bin ich an der Stelle wieder ein Pechvogel, denn meine Prothese verengt sich wieder.

Es ist anscheinend technisch sehr schwer, die Pulmonalklappe von außen mit dem Ultraschall zu betrachten. Was man durchaus erkennen kann, ist eine erhöhte Flußgeschwindigkeit des Blutes an der Stelle, was indirekt ein Maß für die Verengung der Klappe darstellt, aber Details sind von außen nicht erkennbar. Mit dem Katheter sollte diese Verengung genau vermessen und daraus eventuell zu ergreifende Maßnahmen abgeleitet werden.

Nach etwas terminlichem Hin und Her bin ich also gestern in die Uniklinik, um mich untersuchen zu lassen. Ein Lob an dieser Stelle für das gesamte Klinikpersonal: ausnahmslos wurde ich freundlich behandelt, man ging auf meine Fragen und Zweifel ein, ich traf ausschließlich auf motivierte und, soweit ich das beurteilen kann, kompetente Mitarbeiter. Ich hatte vor etwa fünf Jahren an der gleichen Stelle schon drei Katheteruntersuchungen, und vor allem die zweite war mir sehr unangenehm in Erinnerung geblieben, weil sie sehr schmerzhaft war (die Punktionsnadel hatte offenbar meinen Nerv getroffen) und auch noch Komplikationen in der Folge hatte (ich bekam ein walnußgroßes Hämatom, das mich wochenlang begleitete). Das erzählte ich den behandelnden Ärzten, und sie gaben sich wirklich sehr viel Mühe, das diesmal mit großer Präzision zu erledigen - mit Erfolg, und dafür nochmal vielen Dank.

Ein Katheterlabor sieht ein bißchen aus wie eine Szene aus einer Science-Fiction-Serie. Sehr beeindruckend vor allem die sieben Monitore, die nebeneinander alle möglichen Parameter, EKG-Kurven, Blutdruck- und sonstige Diagramme anzeigen, nebst Darstellung des Röntgenbilds aus zwei verschiedenen Winkeln. Als Laie kann man da nur unscharfe Schatten erkennen, aber für die erfahrenen Ärzte ist es so, als würden sie auf einer Karte navigieren. Ich wurde an der Leiste an zwei Stellen punktiert: zum einen in eine Vene, durch die man über die untere Hohlvene in den rechten Vorhof und von da an in die rechte Kammer führt. Zum anderen in der parallel verlaufenen Arterie, um in die Herzkranzgefäße vorzudringen. Letzteres ist eine indirekte Navigationshilfe: um die Pulmonalklappe zu identifizieren, die gar keinen Schatten wirft, fährt man mit dem Katheter an die Stelle, wo die erste Abzweigung der Herzkranzgefäße ist, und die liegt einen Zentimeter hinter der Klappe.

Es war schon ein komisches Gefühl. Zwar wurde mir gesagt, daß die meisten Menschen das nicht spüren können, aber ich konnte ziemlich genau sagen, wo sich der Katheter gerade bewegte. Es war aber nicht unangenehm, und die Ärzte erklärten mir jeden Schritt, was sie vorhatten und welche Erkenntnis sie gerade gewonnen hatten. Sie fuhren an die Stelle vor und hinter der Klappe und maßen jeweils den herrschenden Druck, um den Unterschied festzustellen. Danach gaben sie mir irgend ein Medikament, um Belastung zu simulieren, mein Herz schlug mit 110 bis 120 Schlägen, und ich hatte wirklich das Gefühl, mich zu verausgaben. Sie erhöhten dann die Dosis ("Herr Harvey ist ja gut trainiert, wir können ein bißchen erhöhen"). Nach einer Weile war ich doch sehr aufgeregt, und ich bekam eine Einheit Morphium verabreicht - DAS war ein tolles Erlebnis! Wie auf Knopfdruck hörte ich auf zu zittern, und nach einem Moment Benommenheit schwebte ich wie ein Buddha über alles. Auf der Konstablerwache, so wurde mir gesagt, zahlen die Junkies dafür ein Vermögen - fand ich nachvollziehbar!

Nach dieser Probe war das Problem erkannt. Meine Pulmonalklappe war tatsächlich ziemlich verengt, so daß die auftretenden Drucke im rechten Herz bei Belastung etwa denen im linken Herz entsprechen - auf Dauer ein gefährlicher Zustand. Es wurde daher auch nicht lange gefackelt: die Klappe wurde mit einem Ballonkatheter aufgesprengt. Dafür mußte ein viel dickerer Katheter eingeführt werden (was ich aber auch nur unwesentlich spürte). Unangenehm war der Vorgang selbst: in dem Moment, als der Ballon aufgepumpt wird, kann kein Blut in die Lunge fließen. Beim ersten Mal war das nicht sehr schlimm, beim zweiten Mal an etwas verschobener Position dann doch: mir wurde ganz schön schwummerig, ich hatte ein sehr unangenehmes Druckgefühl in der Brust, und leichte Panik verbreitete sich in meinem Kopf. Aber das dauerte nur etwa 20 Sekunden, und dann war es vorbei.

Nach der Ballonaktion wurde alles wieder vermessen, und es zeigte sich eine deutliche Besserung, wenn auch keine hundertprozentige. Das Fazit: die Klappe scheint immer noch etwas verengt, es verbleibt ein leicht erhöhter Druck im Ruhezustand, der aber wohl vernachlässigbar ist. Schlimmer ist, daß der Druck unter Belastung wieder ansteigen wird. Daher werde ich einen Betablocker nehmen müssen, der die hohen Pulse abschneiden soll. Ich wurde gefragt, welchen Puls ich normalerweise laufe, und 160 sind zuviel - ich soll bei etwa 145 bleiben. Ich werde also mein Training umstellen müssen, denn durch den Betablocker werde ich meine heutigen Pulse gar nicht erst erreichen (oder, wenn doch, dann entpräche das einem heutigen 200er Puls oder so). Immerhin, laufen darf ich und soll ich auch. Ich erzählte, daß ich nächsten Sonntag die Marathonstaffel mitlaufen wollte, und das wurde mir sogar genehmigt, allerdings: nur die kurze Strecke und mit Maximum 145. Dafür wurde mir die Punktionsstelle sogar genäht, was sonst normalerweise nicht geschehen wäre.

Die Aussichten für die Zukunft sind eher trüb. Erfahrungsgemäß, so sagten sie mir heute, würde diese Aufweitung der Klappe nicht lange halten. Nach einem halben bis einem Jahr muß ich damit rechnen, daß sie sich wieder zuzieht. Danach wird es wohl darauf hinauslaufen, daß die Klappe ersetzt werden muß. Zum Glück geht das ohne Operation, d.h. ohne Öffnung des Brustkorbes. Wie dem auch sei, das ist noch Zukunftmusik, und ich bin froh, daß ich heute relativ beschwerdefrei nach Hause gehen konnte.

Einen positiven Nebeneffekt kann ich vermelden: ich werde das Marcumar, zumindest zeitweise, absetzen dürfen. Stattdessen werde ich Clopidogrel bekommen. Zunächst war ich sehr froh über die gute Nachricht, aber ich merke jetzt, daß ich Vor- und Nachteile nicht genau wiedergeben kann, also verstanden habe. Werde mich nochmal mit meinem Arzt beraten müssen. Auch mit dem neuen Betablocker muß ich vorsichtig umgehen, da ich durch den Sport schon einen ziemlich niedrigen Ruhepuls habe, der dann vielleicht in gefährliche Regionen käme - es folgt also eine Zeit vermehrter Kontrollen und Messungen.

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