Von der Herzoperation Silvester 2005 zum Marathon Oktober 2007

Samstag, 7. Juli 2012

Chronotrope Inkompetenz

What?, war das erste, das mir zu diesem Begriff einfiel, nämlich nichts. Aber damit hatte das Kind wenigstens einen Namen. Nach der letzten Untersuchung ergab sich ein klares Bild.

Ich war zweimal mit dem Langzeit-EKG laufen, um einigermaßen zuverlässige Daten zu sammeln. Das erste Mal, letzten Samstag, versuchte ich auch etwas schneller zu laufen, um etwaige Sprünge zu provozieren und sie damit dokumentieren. Das Problem: ich konnte gar nicht erst schnell laufen. Der Versuch brachte mich vor allem an den Rand der Atemlosigkeit, aber besonders schnell wurde ich nicht, und mein Puls auch nicht. Nachdem ich es eingesehen hatte, versuchte ich auf Normalpuls zu kommen und wenigstens die 10-km-Runde fertig zu laufen, mit mäßigem Erfolg. Ab km 6 wollte mein Körper nicht mehr, und ich mußte mich regelrecht zwingen. Ich schaffte 9 Kilometer.

Am nächsten Tag, Sonntag, habe ich gar nicht erst versucht, auf hohe Touren zu kommen, sondern bin einfach gemütlich gelaufen, ohne irgendwas zu wollen. Im Durchschnitt unterschied sich interessanterweise die Zeit gar nicht, aber dadurch, daß ich gar nicht erst aus der Puste kam, konnte ich bis zum Ende der 10 km laufen. Auch das war kein Vergnügen, aber es war wesentlich angenehmer.

Ich hatte mir noch vorgenommen, am Montag noch einen dritten, kurzen Lauf hinzuzufügen, bei dem ich evtl. doch die hohen Pulsregionen schaffte, aber ich war zu kaputt. Das mußte reichen, zumal ich ja noch die Spiroergometrie in der Uniklinik hatte.

Am Dienstag war es soweit, ich brachte das Gerät zurück (endlich duschen! Die Elektroden hatten ganz schön gejuckt) und absolvierte meine Spiroergometrie. Die war etwas besser als der Belastungs-EKG die Woche zuvor, weil die Steuerung graduell anstieg statt in Stufen, das machte es mir zumindest einfacher. Aber mit 150 Watt hätte ich auch keine Olympia-Qualifikation erreicht :)

Währenddessen war die Auswertung des EKGs fertig, und mit beidem bin ich dann zum Oberarzt, der sich der Sache angenommen hat. Ein beeindruckender Stapel Papier. Im wesentlichen wurde die vorherige Annahme bestätigt: aufgund des Betablockers reagierte mein Herz nicht auf die Anforderung, höher zu schlagen, so daß ich ab einer bestimmten Leistungsstufe keine Luft mehr bekam. Laut Spiroergometrie war diese Stufe knapp über meiner anaeroben Grenze - im Prinzip konnte ich also nur noch Aerobics machen.

Trotzdem waren im Verlauf der 72 Stunden während meines EKGs mehrere Etappen mit Vorhofflimmern vorhanden. Der Betablocker schnitt also zuviel der hohen Pulse ab, ohne es zu schaffen, die ganz hohen abzuschneiden. Aufgrund des Vorhofflimmerns hätte ich die Dosis erhöhen müssen, was aber angesichts der chronotropen Inkompetenz nicht ging.

Was tun? Ein paar Möglichkeiten zeigen sich. Seit ein paar Jahren läßt sich Vorhofflimmern erfolgreich abladieren. Ich kenne das schon, bei mir wurde das an den Herzwänden dreimal durchgeführt. Damals war der Erfolg aber nicht hundertprozentig, und die Methode an der Pulmonalvene war noch sehr neu. Schön ist das nicht, man liegt stundenlang bei Bewußtsein auf der Liege mit einem Katheter in der Leiste, die Ärzte fummeln an ihren Geräten, und wenn sie den Punkt gefunden haben, dann wird der Katheter für eine Narbenbildung erhitzt - das tut weh.

Die zweite Möglichkeite ist, den Betablocker, der offensichtlich zuviele Nebenwirkungen verursacht, abzusetzen, und ein anderes Antiarrhythmikum zu versuchen. Die Wahl fiel auf ein Medikament mit dem afghanisch anmutenden Namen Multaq, ein relativ neues Medikament, das äußerst selektiv die Herzrhythmusstörungen bekämpft. Das habe ich nun seit Montag, und langsam beginne ich mich, daran zu gewöhnen. Was mir auffällt: ich bin ständig müde und könnte dauernd schlafen!

Ich bin heute 13,6 km gelaufen, und das Herz scheint jetzt normal zu reagieren. Zumindest geht es mühelos auf Bereiche um die 160 Schläge, was es vorher gar nicht geschafft hatte. Natürlich ist es nicht besonders gut, schon beim 6 min/km auf 160 zu kommen, und es war auch heute ziemlich anstrengend, andererseits ist es schon eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Betablocker. Ich werde das weiter beobachten.

Die spannende Frage bleibt aber unbeantwortet: woher habe ich plötzlich wieder Vorhofflimmern? Das war immerhin seit mindestens anderthalb Jahren nicht mehr vorgekommen, schon gar nicht in dieser Vehemenz. Leider ist die Frage aber anscheinend nicht zu beantworten: das Herz, so der Arzt, sei ein dynamisches, hochkomplexes Gebilde, und schon kleine Veränderungen in der Physiologie können dazu führen, daß es anders reagiert. Bei mir kommen viele Faktoren dazu, die es noch komplizierter machen: zum einen die Herz-OP, die dadurch veränderte Lage des Herzen im Brustkorb, dann die Ablationen, die schon Veränderung im elektrischen Leitungssystem bewirkt haben. Dazu kommt, daß ich durch die Pulmonalstenose erhöhten Druck im rechten Herzen habe, und durch die alte Aortenstenose , die zur Operation geführt hatte, hatte ich lange Zeit erhöhten Druck im linken Herzen.

Kurzum: ich kann eigentlich froh sein, daß es überhaupt so gut funktioniert.

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